Zuhause wohnen, tagsüber durchgehend betreut sein – was sich viele alte Menschen und ihre Angehörigen wünschen, wird erstmals in der südlichen Wetterau möglich: Die ersten Senioren wurden bereits in der neuen ASB-Tagespflege in Karben willkommen geheißen.
Karben. „Wo haben Sie den denn ausgegraben?“ Jörg Malkemus, Leiter des Altenzentrums „Wohnen und Pflege“ des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) zeigt auf das große Ölgemälde über der Sitzgruppe. Der unbekannte Maler lässt darauf sturmgepeitschte Wellen eines blaugrauen Meeres hochdramatisch an einen steinig-sandigen Strand schlagen. „Was für ein Schinken“, sagt Malkemus und schmunzelt.
Ulrike Kloth, die Chefin der Tagespflege, und ihre Kollegin Andrea Prechtl können sich ein Grinsen nicht verkneifen. Seit Tagen sammeln sie aus dem großen Fundus des Hauses und aus den Wohnbereichen nicht genutzte Bilder und Dekorationsgegenstände zusammen. Damit hauchen sie dem neuen Tagespflegebereich Behaglichkeit ein, bevor die ersten Senioren dort betreut werden. „Gäste“ ist hier der offizielle Sprachgebrauch.
Pflege-Einstieg
Der ASB-Landesverband hat dafür einen Satelliten neben das 2004 eröffnete Altenzentrum in Groß-Karbens Ramonvillestraße gesetzt. Das 1,2 Millionen Euro teure Gebäude beherbergt nicht nur auf 300 Quadratmetern im Erdgeschoss die Tagespflege.
Auch hat die Seniorenberaterin von ASB und Stadt, Andrea Jädike, hier ihren neuen Sitz statt zuvor im ASB-Anwesen in der Dieselstraße im Industriegebiet. Im ersten Stock zog kurz zuvor die ASB-Sozialstation für Karben, Nidderau, Schöneck, Niederdorfelden ein. „Wir sind hier nun perfekt vernetzt“, sagt Sozialstationschefin Birgit Kittner-Meier. Sprich: Wer sich bei Andrea Jädike beraten lässt, kann unterm Dach mit dem Pflegedienst Kontakt aufnehmen oder einen Blick in die Tagespflege erhaschen. „Das ist ideal“, sagt die Beraterin.
Diese Woche soll in der Tagespflege der Normalbetrieb starten, Ende Februar das Haus offiziell eröffnet werden. Vier Mitarbeiterinnen kümmern sich dort um die „Gäste“. Morgens gegen acht Uhr werden diese vom ASB-Fahrdienst von Zuhause hergebracht. Es folgen Frühstück, Aktivitäten, Mittagessen, Ruhepause und Kaffeetrinken, bevor die Senioren gegen 16 Uhr heimgefahren werden. Je nach Fähigkeiten und Gesundheitszustand sollen sie viel selbst machen, etwa das Mittagessen kochen. „Die Sachen, die noch dazu gebraucht werden, liefert unsere Küche“, erklärt Heimleiter Malkemus. Die Wege zwischen Haus und Tagespflege sind kurz.
Angehörige entlasten
Die kurzen Wege dürften einen weiteren Vorteil für die „Gäste“ bieten: Schließlich hätten viele ältere Menschen Vorbehalte gegenüber Altenheimen. „Mit der Tagespflege ist ein Einstieg einfacher“, sagt Malkemus. Nach dem Pflegedienst und vor stationärer Pflege schließe sie eine Lücke, bisher einmalig in der südlichen Wetterau.
„Gäste“ der Tagespflege kommen nur aus Karben. Für bis zu zwölf Senioren ist Platz. Sie sind meist für die immer gleichen Wochentage angemeldet, die „Gäste“-Gruppen also Tag für Tag verschieden. „Ein paar freie Plätze haben wir noch“, erklärt Malkemus. Ganz billig ist der Aufenthalt nicht: Wer in Pflegestufe eins bereits sein Pflegegeld zu 100 Prozent nutzt, muss knapp 40 Euro am Tag für die Tagespflege zuzahlen.
Für die pflegenden Angehörigen bedeute das neue Angebot eine wichtige Entlastung. „Sie können einmal durchschnaufen“, sagt der Heimleiter, während die Senioren nicht gleich wochenweise in einem Altenzentrum untergebracht werden müssten. Die Nachfrage, sagt Malkemus, „nach solchen Lösungen wird deutlich steigen“. Beraterin Jädike nickt. „Es ist absehbar, dass sich die Zahl der Über-80-Jährigen in Karben verdoppeln wird.“ (den) Seite 4