Veröffentlicht am

Esche wird nicht gefällt – Karbens Stadtregierung kippte noch vor dem Jahreswechsel wieder ihren eigenen Fäll-Beschluss

Karben. Weihnachten 2008 wird Dieter Eitel (69) aus Rendel lange in Erinnerung bleiben. Am Vormittag des Heiligen Abends bekam er ein Geschenk, über das er sich gar nicht freuen konnte. Im Briefkasten lag Post aus dem Rathaus. Stadtrat Gerd Rippen (Grüne) schrieb ihm „verbunden mit den besten Wünschen für das Weihnachtsfest“, dass die „Ärger“-Esche vor seinem Grundstück im Gronauer Weg doch nicht gefällt werde. Der Magistrat habe seinen Beschluss vom November aufgehoben. „Das darf doch nicht wahr sein“, ist der Rentner seitdem völlig konsterniert. „Ich verstehe die Welt nicht mehr.“

Noch wenige Tagen zuvor hatten sich Eitel und seine Nachbarn nach Jahren am Ziel gesehen: Die 62 Jahre alte Esche, die nur Dreck und Ärger produziere, sollte gefällt werden. Das hatte der Magistrat Ende November beschlossen. Stadtrat Rippen schrieb die frohe Kunde Anfang Dezember an Eitel. „Wir waren alle schon glücklich: Endlich haben sie Vernunft gekriegt.“

Doch Eitel hatte eine Vorahnung: „Ich bin erst zufrieden, wenn die Hälfte vom Baum unten ist“, sagte er in der FNP. Denn der Beschluss der Stadtregierung hatte ein politisches Erdbeben in Karben zur Folge. Die FNP machte nämlich öffentlich, dass zwei ehrenamtliche SPD-Stadträte gegen die eigene rot-grüne Stadtspitze um Bürgermeister Roland Schulz (SPD) und Stadtrat Rippen gestimmt hatten. Das „Ferkel“, das diese Details der FNP verraten haben soll, forderte Schulz zum Rücktritt auf und kündigte andernfalls eine Strafanzeige wegen Geheimnisverrats an.

Kurz vor dem Fest nun stand offensichtlich die rot-grüne Mehrheit in der Stadtregierung wieder. „Scheinbar nutzen die rot-grünen Berufspolitiker die vier Wochen seit dem Fällbeschluss, ihre ehrenamtlichen Kollegen im Magistrat ideologisch wieder auf die politische Vorgabe des Grünen Ersten Stadtrats einzuschwören“, schätzt Rendels Ortsvorsteher Ehrhard Menzel (CDU). Das „mag ja zu einer gewissen Befriedigung führen, in der Kommunalpolitik deutet das aber auf eine starke Orientierungslosigkeit hin“. Aus Rendeler Sicht geht der Ortsvorsteher massiv mit Schulz und Rippen ins Gericht: „Komplizierter und bürgerferner kann man die Führung einer Kommune eigentlich gar nicht mehr gestalten.“

Anwohner Eitel will sich aus dieser politischen Debatte unbedingt heraushalten. „Das stinkt mir, aber ich habe gegen niemanden was, ich bin in keiner Partei.“ Er versteht vor allem nicht, dass der Beschluss vom November einfach so gekippt werden konnte. Das Verhalten der Rathausspitze sei schizophren. „Aus meinen Berufsleben bin ich gewohnt: Wenn etwas entschieden ist, ist es entschieden.“

Doch Stadtrat Rippen teilt dem früheren Steuerberater nur mit, dass der Fäll-Beschluss „einem früheren Beschluss der Stadtverordnetenversammlung“ widersprochen habe. Was das bedeutet, weiß Eitel bisher nicht.

Die Entscheidung zum Nichtfällen für Dieter Eitel ist „ein Hammer“. Denn auf dem Rendeler Friedhof habe die Stadt ja auch erst vor kurzer Zeit drei Bäume gefällt, weil deren Laub und der Kot von Vögeln Gräber beschmutzt habe. „Nach welchen Kriterien werden in Rendel eigentlich Bäume gefällt?“, will Eitel gerne wissen. Auch erinnert er daran, dass er von Anfang an versprach, Ersatzpflanzungen für die Esche bezahlen zu wollen. Nun, schätzt Dieter Eitel, muss er wohl zusätzlich auch noch in einen Rechtsanwalt investieren. „Hier wird man ja vergackeiert.“ Das sieht der Ortsvorsteher genau so. „In der Zwischenzeit hätten die fünf jungen Eschen im Karbener Stadtwald schon längst Wurzeln geschlagen und sich stattlich entwickeln können“, sagt Ehrhard Menzel stinksauer. „Aber die blockierende Kärber Rathausideologie lässt es nicht zu.“ (den)