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Gartengedanken – Das Wort zum Sonntag

Wir haben hinter unserem Haus einen schönen Garten, mit alten hohen Bäumen und jungen Stauden und Pflanzen. Er hat mich Achtsamkeit gelehrt. Als ich vom Urlaub zurückkam, ging ich sogleich durch den Garten und habe wahrgenommen, wie es meinen Blumen geht. O weh, jeder anders: Die Rosen standen in voller Blüte, die Dahlie daneben war von den Schnecken ratzekahl gefressen. Den Lavendel umschwirrten Hummeln und Bienen. Jedes will mit Achtsamkeit wahrgenommen und nach seinen Bedürfnissen unterstützt werden. Eine Lektion meines Gartens, die übertragbar ist.

Darüber hinaus hat mich der Garten Respekt gelehrt. Respekt vor dem unglaublichen Geschenk der Vielfalt, mit der Gott diese Welt ausgestattet hat. Ich hatte meinen Garten auf wenige robuste Pflanzen beschränken wollen. Holunder statt Hibiskus, wenn ich mal so sagen darf. Aber dann fahre ich an einem Blumengeschäft vorbei und kann der dort stehenden schwarzäugigen Susanne nicht widerstehen, da sehe ich eine Blume und erinnere mich daran, wie sehr meine Mutter sie geliebt hat. Und schwups, lebt eine neue Pflanze im Garten. Da vergesse ich die Arbeit und freue mich über die bunten Blüten in ihrer Vielfalt. Und manche Pflanzen wachsen, obwohl ich mich nicht erinnern kann, sie je eingesetzt zu haben.

Und schließlich: Der Garten lehrt Geduld. Den wilden Wein zum Beispiel, den ich gesetzt hatte – ich hatte ihn schon lange verloren gegeben, als sich nach drei Jahren noch immer nichts rankte. Aber dann, im letzten Jahr, hatte er sich mit seinem Standort versöhnt und klomm die Holzwand empor. Und ich, in meiner Ungeduld, hätte ihn um ein Haar im Herbst davor gänzlich aus der Erde herausgerissen.

„Alles fügt und erfüllt sich, musst es nur erwarten können“, sagte ich da zu mir selbst. So beginnt ein Gedicht von Christian Morgenstern:

Alles fügt sich und erfüllt sich

musst es nur erwarten können

und dem Werden deines Glückes

Jahr und Felder reichlich gönnen.

Bis du eines Tages jenen

reifen Duft der Körner spürest

und dich aufmachst und die Ernte

in die tiefen Speicher führest.

Heute begreife ich mehr davon, was damit gemeint ist. Nicht nur im Garten.

Pfarrerin Dr. Irene Dannemann, Ev. Heilig-Geist-Gemeinde Bad Vilbel – Heilsberg