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Gesetze der Kaiserzeit – Nicht-“hessisches“ Obst aus dem Taunus verwendet – Zoll schließt Brennerei

Karben. „Ich hab ja niemanden umgebracht!“ Landwirt Geckeler vom Jägerhof im Karbener Stadtteil Rendel ist stocksauer auf den Zoll. Die Behörde verplombte im März seinen Brennkessel in der Scheune. Seitdem destilliert kein Klarer mehr aus der kupferfarbenen Anlage der Wetterauer Obstbrennerei.

Europa wächst zusammen, doch die Landesgrenzen Hessens von 1908 kommen Landwirt Bernd Geckeler (44) aus Karben in die Quere: In seiner Wetterauer Obstbrennerei sollen Früchte aus Glashütten im Taunus verwendet worden sein. Geckeler aber darf laut dem Gesetz von 1908 nur Schnäpse aus hessischem Obst brennen – und damals lag Glashütten eben nicht in „Hessen“.

Vor 16 Jahren begann Bernd Geckeler mit dem Brennen. Heute ist es das Hauptstandbein des Bauernhofs. Der Anbau von Raps, Weizen, Kartoffeln und Zuckerrüben ist nur noch Nebensache. Die Rendeler Brennerei ist eine der wichtigsten im Rhein-Main-Gebiet: Nur in Ockstadt, Stammheim, Altenstadt und Gedern – alle in der Wetterau – sowie südlich von Darmstadt gibt es weitere.

Dort können Besitzer, Pächter oder Nießnutzer von Obstbäumen ihre Früchte abliefern. Daraus werden Edelobstbrände und Liköre hergestellt. „Wir sind aber die einzigen, die das als Event anbieten“, erklärt Geckeler. An langen Tischen sitzen die Obst-Anlieferer samt ihrer Freunde, schauen beim Brennen zu. Damit ist seit März Schluss. Unfassbar: Bis heute weiß Landwirt Geckeler noch gar nicht, warum der Zoll die Anlage überhaupt verplombte. „Unter Hinweis auf die laufenden Ermittlungen wurde meinem Anwalt bisher Einsicht in die Akten verwehrt“, erklärt Bernd Geckeler. Dass ihn nun der Ruf eines Schwarzbrenners ereilen könnte, wurmt den Landwirt. „Ich setzte mich doch nicht für andere Leute in die Nesseln.“

Denn er lässt sich von jedem Anlieferer unterschreiben, dass dieser nur Obst bringt, das in Rendel gebrannt werden darf. „Das macht kein anderer so“, berichtet Geckeler. Verarbeiten darf er in seiner Abfindungsbrennerei nur Obst, das entsprechend der noch heute gültigen Regelungen zur Branntweinsteuer von 1908 aus dem Gebiet des damaligen Großherzogtums Hessen stammt. Dort, schätzt Geckeler, könnten die Behörden einen Verdacht geschöpft haben: Dass ihm jemand nicht-„hessisches“ Obst angeliefert und falsch deklariert hat, mutmaßt der Landwirt, konkret: eine Lieferung aus Glashütten im Taunus. Jene Gegend war damals hessen-nassauisch, ergo preußisch.

„Es ist nicht so, dass wir eine Brennerei beim kleinsten Anlass schließen“, sagt Michael Bender, der Sprecher des Hauptzollamtes Gießen. „Da müssen schon Gründe vorliegen.“ Welche das sind, mag er nicht verraten – auch nicht, warum alles so lange dauert. „Auch zugunsten von Herrn Geckeler muss das Verfahren sorgfältig durchgeführt werden“, erklärt Bender. „Zudem hat er wie jeder das Recht, gegen den Verwaltungsakt der Behörde Einspruch einzulegen.“

Mit jeglichen Eingaben habe er bisher keinen Erfolg gehabt, beschwert sich Geckeler. Ihn stört am meisten, dass er selbst wohl gar nicht gegen Gesetze verstoßen hat, sondern einer seiner Kunden. Jeder unterschreibe ja, woher sein Obst stammt. „Ich kann doch nicht auf jedes Baumstück fahren und das überprüfen“, sagt der Landwirt. „Das ist Aufgabe der Behörden.“

Dass seine Anlage nun wegen der Ermittlungen monatelang stillsteht, versteht Geckeler nicht. In diesen Wochen beginnt die neue Saison und er hat nicht einmal alle Maische der vorigen abgearbeitet. „Die sollen endlich gegen mich vor Gericht ziehen“, fordert Geckeler. „Dann lacht sich der Richter nämlich tot.“ (den)