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Jetzt werden wir veräppelt – Die Keltersaison in der Wetterau hat schon begonnen, die Annahmestellen sind geöffnet

Karben. Die erste Nachfrage galt der Gesundheit. „Tut der Rücken schon weh?“, erkundigte sich Renate Ruf, Assistentin der Rapp’s-Geschäftsleitung, freundlich bei Christian Golkowski. „Ne, mir geht’s gut“, schallte es aus dem kleinen Häuschen der Annahmestelle zurück. Der Mitarbeiter der Kelterei in Karben hatte nicht etwa schwere körperliche Arbeit verrichten und Säcke voller Äpfel ins Silo kippen müssen. Sein Rücken war vielmehr durch Herumsitzen gefährdet.

Warteschlangen bis an die B 3 habe sich das Rapp’s-Personal im vergangenen Herbst ausgesetzt gesehen, kann sich Renate Ruf noch sehr gut erinnern. „Unser Silo fasst 90 Tonnen. Das sind drei große Lkw-Ladungen. Wenn er voll ist, wird gekeltert. Und wir haben letztes Jahr jeden Tag gekeltert. Wir sind fast geplatzt.“

Am Montag ersetzte die Langeweile den Dauerstress. Gerade einmal 30 Apfellieferanten aus dem Umkreis hatten ihre Ernte vorbeigebracht, abwiegen und sich ausbezahlen lassen oder Gebrauch vom Lohnmostverfahren gemacht. „Es ist gar nicht schlecht, wenn die Äpfel länger hängen“, meinte Gerhard Sittinger, erfahrene Fachkraft für Fruchtsafttechnik im Rapp’s-Labor. Der Oechslegrad, der das Mostgewicht des Apfels definiert, könne so noch ansteigen.

Entweder sie seien wegen früher Reife, bedingt durch die sonnigen Monate April und Mai, schon heruntergefallen oder es gebe einfach keine, erklärte Renate Ruf. Schuld daran sei Mutter Natur. Das Gesetz der Alternanz besage, dass jeder Apfelbaum eben nur alle zwei Jahre viele Früchte trage. Nach den Mega-Erträgen 2008 machen die Bäume also jetzt mal Pause. „Es ist eher unwahrscheinlich, dass in den nächsten Wochen noch der Ansturm kommt“, meinte auch Geschäftsführer Klaus-Dieter Kneip. Seine Firma wird trotzdem aller Voraussicht nach den Jahresabsatz von 23 Millionen Flaschen an Fruchtsäften und Apfelwein halten können. „Wir haben Apfelsaft aus dem sehr guten letzten Jahr eingelagert“, verrät Ruf. Zudem bestünde für den 65-Mitarbeiter-Betrieb die Option, Äpfel oder sogar Säfte aus ertragreicheren Regionen in Deutschland einzukaufen. Christian Golkowski bekam aber doch noch etwas zu tun. Günter Loth brachte mehrere Säcke von seinen Obstwiesen vorbei. Der Echzeller, der sich um rund 25 Bäume kümmert, war nicht verblüfft, dass er gleich an die Waage heranfahren durfte. „Ein Bekannter von mir hat gar keine Äpfel. Meine Bäume werfen dieses Jahr aber gut ab.“ (fnp)