Veröffentlicht am

Kunstrasen: Innovation statt Verbote

Quarzsand statt Gummigranulat: Frank Lindner nennt eine Alternative für den Kunstrasenplatz des Günter-Reutzel-Sportfeldes. Foto: Patryk Kubocz
Quarzsand statt Gummigranulat: Frank Lindner nennt eine Alternative für den Kunstrasenplatz des Günter-Reutzel-Sportfeldes. Foto: Patryk Kubocz

Karben. Kunstrasenplätze ermöglichen vielen Fußballvereinen die Ausübung ihres Sports ohne großen Rasenpflegeaufwand. Doch diese Plätze sind umstritten, denn das Füllmaterial verschmutzt die Umwelt mit Mikroplastik. Deshalb wird auf EU-Ebene an einer übergeordneten Regelung gearbeitet. Es wird darüber beraten, ob es einen Gesetzentwurf zum Verbot des Mikroplastik enthaltenden Granulats geben solle. Ein Verbot hätte Folgen für die örtlichen Vereine – auch in Karben.
Viele örtliche Vereine setzten bereits seit Jahren auf Kunstrasen. Und das aus folgendem Grund: »Ein Kunstrasenplatz benötigt keine Bewässerung. Das bedeutet eine Einsparung vom mindestens zwei Millionen Liter Wasser pro Jahr, pro Platz«, antwortet die Karbener Stadtverwaltung auf Anfrage der Zeitung.
Nichtsdestotrotz sind die unnatürlichen Rasenplätze bei Naturschützern unbeliebt. Sylvia Neitzel vom BUND Karben sagt: »Wir wollen Kunststoff vermeiden. Daher sind wir gegen Kunstrasenplätze.« Eine Studie der Europäischen Chemie-Agentur (ECHA) zeigt, dass das Granulat, das unter anderem für Kunstrasen verwendet wird, für eine große Menge an Mikroplastik sorgt.
»Auch deswegen sind wir gegen den Bau eines künstlich hergestellten Rasens in Kloppenheim«, ergänzt Neitzel. Derzeit ist es fest eingeplant, dass der Naturrasen des FSV Kloppenheim für einen Kunstrasen weichen muss. Rund 800 000 Euro soll der Umbau des Platzes an der Straße Am Hang kosten.
Der neue Platz solle komplett ohne Gummigranulat auskommen, heißt es vonseiten der Stadtverwaltung. »Inzwischen ist der Kunstrasen so weit entwickelt, dass eine Verfüllung mit Quarzsand ausreicht«, schreibt Stadtsprecher Dominik Rinkart.
Kloppenheimer Platz
ohne Gummigranulat

Während also die neue Spielfläche im Stadtteil Kloppenheim nach den neuesten Standards gebaut werden soll, besteht der Platz des FC Karben am Günter-Reutzel-Sportfeld in Klein-Karben noch aus den winzigen Gummikügelchen. »Wir haben unseren 15 Jahre alten Kunstrasen 2019 ausgetauscht«, sagt Frank Lindner, Vorsitzender des FC Karben. Der Fußballverein pachtet lediglich die Spielstätte in der Günter-Reutzel-Sportanlage. Daher sei der Verein nicht in der Entscheidungsverantwortung für etwaige Änderungen am Platz oder dem Material. »Wir stehen aber in einem ständigen Austausch mit der Stadtverwaltung«, sagt Lindner. Die Umrüstung des Rasens auf eine Quarzsandfüllung koste rund 30 000 Euro.
Am 27. April dieses Jahres hat das EU-Komitee zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien (Reach) empfohlen, den mikroplastikhaltigen Kunstkautschuk zu verbieten. Das Komitee setzt sich zusammen aus Vertretern von EU-Mitgliedstaaten und Experten der Chemie-Agentur. Nun muss das Europäische Parlament innerhalb von drei Monaten abstimmen, ob ein Verbot in Zukunft durchgesetzt werden sollte. Dann liegt der Ball wieder beim Komitee, das einen Gesetzentwurf formulieren müsste.
Angesprochen auf ein – eher unwahrscheinliches – plötzliches Verbot der Granulate, die auch in Klein-Karben verwendet werden, sagt FC-Vorsitzender Lindner: »Das wäre der Super-GAU. Auf unseren beiden Plätzen trainieren 18 Mannschaften. Fällt der Kunstrasen weg, hätte das gravierende Folgen für den Trainings- und Spielbetrieb.« Deswegen hält Lindner nichts davon, ein grundsätzliches und sofortiges Verbot des Mikroplastik enthaltenden Granulats auszusprechen. »Man muss den Vereinen auch die Chance geben, auf die Änderungen zu reagieren und sie umsetzen zu können«, sagt Lindner.
Wasserbecken
für Reinigung

Indes schlägt die Studie der Chemie-Agentur verschiedene Maßnahmen vor, welche die Ausbreitung des Schadstoffs in der Umwelt verringern sollen. Eine aufwendige Methode wäre: Eine Auffangrinne für die Plastikkügelchen solle um das Feld verlegt werden, um zu verhindern, dass Mikroplastik in das Ökosystem gelangt. Die Alternative: Ein Wasserbecken solle aufgestellt werden, damit die Spielerinnen und Spieler nach dem Training oder der Partie ihre Socken und Schuhe reinigen können, um zu verhindern, dass das Gummigranulat vom Platz getragen wird.
Lindner steht den Vorschlägen der Chemie-Agentur offen gegenüber, bezweifelt aber, ob sie wirklich zielführend sind. »Man muss sich da immer fragen, ob die Verhältnismäßigkeit stimmt und ob es wirklich wirkt«, sagt Lindner. »Verbote alleine bringen einen nicht weiter, sondern zeugen lediglich von Desinteresse, alternative Lösungen durch Innovation zu suchen. Am Ende des Tage wollen wir einfach nur Fußball spielen.« Von Patryk Kubocz