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„Lebensunwert“ – Nur knapp der NS-Euthanasie entgangen

Psychisch kranken Menschen wurde im Dritten Reich das Recht auf Leben abgesprochen; ebenso Menschen, die als „erbkrank“ stigmatisiert wurden. Diese Opfergruppe steht im Mittelpunkt der Gedenkveranstaltung „Lebensunwert – als ‚erbkrank‘ stigmatisiert und nur knapp der NS-Euthanasie entgangen“ am Donnerstag, 31. Januar, 20 Uhr im Kulturzentrum Alte Mühle.

Bad Vilbel. Gezeigt wird ein 45-minütiger Dokumentarfilm, der am Schicksal des 1935 geborenen Paul Brune die Geschichte der Psychiatrie im Dritten Reich nachzeichnet. Der Filmvorführung schließt sich nach einer Pause ein Gespräch mit Paul Brune und Regisseur Robert Krieg an. Musikalisch umrahmt wird die Veranstaltung durch Swing und Jazz („entartete Musik“), gespielt von Georg Crostewitz (Gitarre) und Daniel Guggenheim (Saxofon).

Hierzu laden die Lagergemeinschaft Auschwitz – Freundeskreis der Auschwitzer, der Kulturfachbereich Bad Vilbel und der Geschichtsverein Bad Vilbel bei freiem Eintritt ein. Seit 1996 werden mit einem gesetzlich verankerten Gedenktag rund um den Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz (27. Januar 1945) alle Opfergruppen des Nationalsozialismus’ geehrt.

Paul Brune überlebte, obwohl er 1943 als Achtjähriger in eine der Tötungsstationen der „Kinder-Euthanasie“ eingewiesen wurde. Seine vom Ehemann misshandelte Mutter hatte versucht, sich und ihre Kinder umzubringen. Sohn Paul wurde „ererbte Geisteskrankheit“ unterstellt. An seinem Schicksal verdeutlicht der Film „Lebensunwert“ beispielhaft die Geschichte der Psychiatrie im Nationalsozialismus. Was 1934 mit massenhaften Zwangssterilisationen begann, endete ab dem Jahr 1939 für mehrere hunderttausend Menschen mit der Ermordung im Sinne der „Rassenhygiene“ und der „Vernichtung unwerten Lebens“, der sogenannten „Euthanasie“.

Nach Ende des NS-Regimes wurde Paul Brune weiterhin aufgrund seiner „Krankengeschichte“ in der Psychiatrie festgehalten. Erst 1957 wurde seine Entmündigung gerichtlich aufgehoben. Er studierte, legte das Staatsexamen ab und wollte Lehrer werden. Doch weiterhin verfolgte ihn das Stigma, „ein Irrer“ zu sein. Gutachter, die ihre im Dritten Reich begonnenen Karrieren in der Bundesrepublik fortsetzen konnten, verweigerten ihm von Amts wegen die Ausübung des gewünschten Berufes. Erst 2003 wird Paul Brune als Verfolgter des Nationalsozialismus’ anerkannt. (hir)