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Neuer Brückenschlag

An der Baustelle der Nordumgehung Groß-Karben entsteht ein 75-Meter-Bauwerk

Das dürfte viele Karbener aufatmen lassen: An diesem Wochenende erfolgte der Brückenschlag für die Nordumgehung über die Trasse der Main-Weser-Bahn. Zig Tonnen schwere Stahlträger schwebten ein. Autos und Züge wurden dafür gestoppt.

Karben. Seit dem Wochenende ist es soweit. Nun gibt es in Karben eine dritte Fahrzeug-Querung der Main-Weser-Bahn. Gut, noch können Fahrzeuge nicht darüber fahren. Erst Ende kommenden Jahres soll die 75 Meter lange und 12,5 Meter breite Brücke freigegeben werden – mit der gesamten Nordumgehung.

Ganz langsam können die Karbener also aufatmen: Die Tage, dass die Stadtzufahrt über die Landesstraße L 3205 das alleinige Nadelöhr ist, sind also gezählt. Just an diesem Wochenende geschah also durchaus Epochales.

Breit für vier Gleise

Die neue Brücke stellt ihr altes Pendant einige hundert Meter weiter im Süden von einigen Daten her in den Schatten. Das zeigt sich, als der 500-Tonnen-Autokran seine Arbeit beginnt. Majestätisch langsam und feinfühlig hebt der Ausleger den ersten Stahlträger der Brücke vom Tieflader. In luftiger Höhe wird das Bauteil gedreht und ebenso langsam abgesenkt. Dass die riesigen Streben 22 bis 37 Tonnen auf die Waage bringen, ist nur zu erahnen. 18 bis 28 Meter lang sind die Streben – jedes in einem anderen Maß wegen der Kurvenlage der Brücke. Auf den Millimeter genau müssen die Bauarbeiter sie per Kettenzug und Muskelkraft einpassen: Auf der einen Seite ins westliche Widerlager der Brücke, auf der anderen auf die Auflage, die auf den westlichen der zwei Trägersäulenpaaren ruht.

Untereinander werden die Träger mit Stahllaschen verbunden und verschweißt. Bauleiter Jens Schräder vom Ingenieurbüro EHS aus Kassel schaut zu und nickt zufrieden. Kaum Luftzug, ein sonniger, klarer Herbsttag. „Einfach ideal.“

Mit den Lasten, die hier durch die Luft schweben, ist nicht zu spaßen. 15 Stahlträger passen die Arbeiter zwischen Freitagmorgen und Samstagnacht ein. Sechs bis sieben Meter hoch über Grund. Immer fünf nebeneinander für jedes der drei Brückenfelder. Das Feld in der Mitte überspannt die Bahnstrecke – und zwar in doppelter Breite, damit daneben in den kommenden Jahren noch zwei neue Gleise für die Fernbahn gebaut werden können. Auf den alten Gleisen soll dann exklusiv die S-Bahn S6 unterwegs sein. Auf den kommenden Ausbau weisen außerdem schon vier neue, einzelne, größere Oberleitungsmasten hin.

Für die Arbeiten direkt über der Bahnstrecke war in den vergangenen Nächten die Verbindung zwischen Karben und Friedberg gesperrt. „Wir können eine Sperrpause der Bahn nutzen“, erklärt Jens Schräder. Denn am Wochenende nimmt die Bahn das neue Stellwerk in Friedberg in Betrieb. Deswegen fahren ohnehin kaum Züge rund um die Kreishauptstadt.

Mit gut 1,5 Millionen Euro ist die Brücke über die Bahngleise der teuerste Einzelposten beim Bau der knapp 20 Millionen Euro teuren Nordumgehung Groß-Karben. Diese finanziert die Stadt vor, sie hat sich damit einen schnellen Baubeginn erkauft.

Ab Ende 2016 sollen Autos und Laster über die 3,2 Kilometer lange Umgehungsstrecke rollen. Zuvor müssen ab dem Frühjahr noch der Anschluss an die B3 samt neuer Zufahrt zum Rewe-Center gebaut werden, erläutert Monica Bielesch, Sprecherin der Landesstraßenbehörde „Hessen Mobil“ aus Gelnhausen.

Stahlträger aus Ungarn

Zum Start des Brückenschlags haben die Bauarbeiter am Freitag die fünf Stahlträger im westlichen Brückenfeld montiert, das den Wirtschaftsweg neben den Gleisen überspannt. Die Stahlträger fürs östliche Feld wurden am Samstag eingepasst. Dafür musste die Brunnenstraße gesperrt werden.

Wohl noch eine weitere Sperrung von Bahnstrecke und Straße müssen Fahrgäste und Fahrer ertragen. Das ist nötig, wenn das Kappentraggerüst an den Brückenseiten entfernt wird, der schmale Fußweg und das Geländer fertig sind.

Die Rücksichtnahme auf die Bahn bedeutet Druck: „Der Termin steht seit zwei Jahren“, sagt Schräder. Die Baustelle musste also genau jetzt bereit sein fürs Einschweben der Stahlträger. „Da darf nichts dazwischen kommen.“ Sie kommen aus Ungarn, wurden in der Nähe von Budapest hergestellt. Kollegen aus Schräders Büro haben vor Ort die Qualitätssicherung überwacht.

Per Tieflader kamen sie erst nach Nidda. Im Oberhessischen Spannbetonwerk (OSW) wurde auf den Trägern ein Betonfertigteilflansch montiert, erklärt Schräder. Auf dieser, mit Eisenankern gespickten Oberfläche wird in den kommenden Wochen die Hauptplatte betoniert. Dazu gehören auch die Anschlüsse an die Querträger, die auf den Stützpfeilern und den Widerlagern ruhen. „Am Ende“, sagt der Ingenieur, „ist alles monolithisch miteinander verbunden.“ (den)