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Omas gegen rechts – Bad Vilbelerin gründete eine Wetterauer Gruppe

Angelika Ungerer (links) und Heike Arnold von der Frankfurter Gruppe gehen mit den »Omas gegen Rechts« regelmäßig auf die Straße. Hier demonstrieren sie in Enkheim gegen die Frankfurter AfD. Foto: Privat
Angelika Ungerer (links) und Heike Arnold von der Frankfurter Gruppe gehen mit den »Omas gegen Rechts« regelmäßig auf die Straße. Hier demonstrieren sie in Enkheim gegen die Frankfurter AfD. Foto: Privat

Bad Vilbel. Sie wollen, dass ihre Enkel in einem Land ohne Rassismus, Frauenfeindlichkeit und Ausgrenzung groß werden. Dafür gehen sie auf die Straße: Die Demo-Gruppe »Omas gegen Rechts«. Die Bad Vilbelerin Angelika Ungerer holt die Bewegung jetzt in ihre Heimat. Sie hat gute Gründe.
Ein politischer Mensch war Angelika Ungerer (59) eigentlich nie. Sie gehörte nie einer Partei an, focht nie für eine Gewerkschaft, ging nicht auf Demos. Obwohl: Mit 12 nahm sie mal jemanden mit, um für den Bau einer Umgehungsstraße zu protestieren. Ein anders Mal besuchte sie eine Greenpeace-Kundgebung. Klar. Aber richtig mitmischen wollte sie nirgends. Heute ist das anders.

Die Bad Vilbelerin hat die »Omas gegen Rechts Wetterau« ins Leben gerufen. Eine Gruppe, die sich gegen den Rechtsruck stellen soll. Dagegen, dass manche nicht an der Gesellschaft teilhaben können. Gegen Menschenfeindlichkeit. Gegen Frauenbilder aus den 50er Jahren.
Ungerer hat sich deshalb nun ein Spruchbanner gebastelt, an ihre eigens gestrickte Mütze einen »Omas«-Anstecker geheftet, Flyer ausdrucken lassen und sich die offizielle Hymne ihrer Protestbewegung besorgt. »Omas, Omas, uns, braucht das ganze Land, wir kämpfen für die Kinder und machen Widerstand«, heißt es darin.
Warum? Die Antwort fällt der großen Frau mit den blonden Haaren leicht: »Als Jugendliche habe ich meine Mutter oft gefragt, wie es sein kann, dass immer alle sagen, sie hätten von den Konzentrationslagern und den anderen Gräueltaten der Nazis nichts mitbekommen«, erzählt Ungerer. »Ich will nicht, dass meine Enkel irgendwann auch fragen, warum ich damals nichts getan habe. Ich will nicht dabei zusehen, wie wir von den Rechten überrannt werden.« Sie hat Angst, dass der Faschismus irgendwann einfach wieder da ist.

Ungerer, Jahrgang 1959, ist in Frankfurt geboren und aufgewachsen, als eines von fünf Kindern, in einem Reihenhäuschen, das sich die Eltern vom Mund abgespart hatten. Als der Vater ihr verbat, zu studieren, lernte sie Anwaltsgehilfin. Lange arbeitete sie danach für Banken und Kanzleien. Seit sie vor gut acht Jahren auf den Heilsberg gezogen ist, verdient sie ihr Geld jedoch als Maklerin.

ARBEIT MIT FLÜCHTLINGEN
Stadtbekannt wurde Angelika Ungerer als Vorsitzende des Vilbeler Flüchtlingshilfevereins. Als 2015 die ersten Menschen ins Georg-Muth-Haus zogen, beschloss sie, dass es Zeit sei, zu helfen. Die Ablehnung, die den Flüchtlingen entgegenschlug, stieß ihr sauer auf. »Die Flüchtlingskrise hat mich politisiert«, sagt sie heute. Erst gab Ungerer nur Sprachkurse, dann häuften sich die Aufgaben, und ehe sie sich versah, hatte sie zwei Jahre lang an der Spitze der Vilbeler Flüchtlingsarbeit gestanden.
Ende 2017 gab sie den Posten auf. Sie war frustriert. Zu viel blieb an ihr hängen, sagt sie, zu wenig Unterstützung kam von Stadt und Zivilgesellschaft. Aber auch als sie sich zurückzog:

Das Gefühl, dass in Deutschland etwas gewaltig schief läuft, blieb. Bei den Omas gegen Rechts fand sie Gleichgesinnte. Rund 1500 Frauen haben sich unter diesem Namen deutschlandweit zusammengefunden. In Frankfurt, wo Ungerer sie kennengelernt hat, sind es ein paar Dutzend.
Die Seniorinnen kommen aus allen Schichten. Hausfrauen, Biologinnen, Gewerkschafterinnen, manche bei den Grünen oder den Linken, andere in keiner Partei, vergleichsweise junge wie Ungerer, und solche, die nicht mehr ohne Gehhilfe laufen können.
Die meisten sind tatsächlich Großmütter. Ungerer, die selbst zwei Töchter hat, ist er vor drei Monaten Oma geworden. Der Vater ihres kleinen Enkels hat kurdische Wurzeln. Ein Grund mehr aufzubegehren gegen die AfDs und Pegidas dieser Welt.
»Ich wäre auch bei den Omas gegen Rechts, wenn ich nicht Großmutter wäre«, sagt Ungerer. Das erste Mal ist sie mit ihnen vor den hessischen Landtagswahlen demonstrieren gegangen. Beim Abschluss des Wahlkampfs der Frankfurter AfD zogen die Omas mit rund 300 Menschen pfeifend und gröhlend vor das Volkshaus im Stadtteil Enkheim.
Weil sie aber in der Wetterau besser vernetzt ist, hat sie die Gruppe in Bad Vilbel gegründet. Mitstreiterinnen sucht sie derzeit noch, räumt sie ein. Optimistisch, diese auch zu finden, ist sie aber.

Die Omas organisieren sich hauptsächlich über Social-Media. Bei Facebook ist die Wetterauer Gruppe unter dem Schlagwort »Omas gegen Rechts Wetterau« zu finden. Direkten Kontakt gibt es auch per E-Mail an OGR-Wetterau@gmx.de.

Von Alexander Gottschalk