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Politik auf Augenhöhe

Auf Augenhöhe können sich die Schüler mit den Abgeordneten austauschen. Tobias Utter erklärt hier seine Sicht auf die Vier-Tage-Woche. Foto: Kubocz
Auf Augenhöhe können sich die Schüler mit den Abgeordneten austauschen. Tobias Utter erklärt hier seine Sicht auf die Vier-Tage-Woche. Foto: Kubocz

Karben. Interesse an Politik wecken und junge Wähler mobilisieren: Dies ist das Ziel des politischen Projektes »dialogP«. In der Staatlichen Berufsschule des Berufsbildungswerks Südhessen in Karben hat das Schulprojekt zuletzt stattgefunden. Dabei treffen Schüler auf Landtagsabgeordnete. In lebhaften Diskussionen tauschen sie sich zu vielfältigen Themen aus.
Ein lautes »Bing« ist in der Sporthalle des Berufsbildungswerks Südhessen (bbw) zu hören. Das Bimmeln der Tischglocke am Moderatorenpult ist eigentlich eine klare Anweisung für die Teilnehmer des Projekts »dialogP«. Beim Schulprojekt handelt es sich um eine Diskussionsrunde zwischen Schülern und Abgeordneten aus dem jeweiligen Landtag. Jüngst veranstaltete die Staatliche Berufsschule am bbw Karben diese Veranstaltung.
An fünf Gruppentischen mussten sich die hessischen Landtagsabgeordneten Tobias Utter (CDU), Christoph Degen (SPD), Jörg-Uwe Hahn (FDP), Axel Gerntke (Linke) und Andreas Lichert (AFD) den Fragen der Schüler stellen. Katrin Anders (Grüne) konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Aktion am bbw teilnehmen, wie die Moderatoren Nadine Parge und Yannick Thomer mitteilten.
»Bereits im Vorfeld haben die Schüler im Politikunterricht die Fragen für heute vorbereitet«, sagt Ursula Anton-Schlüter, Politiklehrerin und gemeinsam mit Sabine Balke Koordinatorin für die Ausführung des Projekts am bbw. Anton-Schlüter sagt, sie denke, dass »dialogP« eine »gute Möglichkeit ist, um den Jugendlichen Politik näherzubringen, indem sie mit Politikern ins Gespräch kommen«.
Doch bevor es in die Diskussion mit den Abgeordneten ging, stellten die Moderatoren die anwesenden Politiker vor. Die anschließenden »Ice-Breaker-Fragen« und ein kleines Quiz lockerten die Stimmung in der Turnhalle auf. Die Abgeordneten und Schüler kamen bereits vor der Diskussion ins Gespräch und konnten erfahren, wie der Mensch tickt, der im Landtag für ihren Wahlkreis sitzt.
Dann wurde es ernst: Das erste Betätigen der Tischglocke durch den Moderator Thomer läutete den Beginn der Diskussion ein. Die Themen, die die Schüler vorbereitet hatten und diskutiert wurden, stellten sich als sehr vielfältig heraus. Während an einem Tisch über die Vor- und Nachteile einer Vier-Tage-Woche diskutiert wurde, tauschte sich eine andere Expertengruppe über die Gefahren der künstlichen Intelligenz aus und ob der Staat eine Regulierung für Kinder und Jugendliche durchführen sollte. Das Gespräch zwischen den Abgeordneten und den Schülern lief auf Augenhöhe ab: Alle Teilnehmer ließen die Fragen der Schüler zu, hörten ihnen und ihren Argumenten zu und hielten keine Monologe. Rund zehn Minuten später ertönte erneut das Bimmeln der Tischglocke. Die Abgeordneten sollten nun von Tisch zu Tisch rotieren. So sieht es die Theorie von »dialogP« vor. In der Praxis müssen die Moderatoren die Glocke oftmals mehrfach betätigen: Die Schüler vertieften sich stark in den Diskurs und bemerkten nicht, dass der Zeitpunkt für den Wechsel gekommen war.
Nach rund einer Stunde und fünf Gesprächspartnern hieß es dann für die Schüler: Die Auswertung und Bewertung der Argumente beginnt. 20 Minuten später präsentierte jede Expertengruppe ihre Ergebnisse und welche Punkte am stärksten für beziehungsweise gegen ihre Themenfrage sprach. Um auch die demokratische Entscheidungsfindung zu proben, entschieden die Schüler und Abgeordneten in einer offenen Wahl über die Fragen, die in einem Ja-Nein-Schema gestellt wurden. Bei den Themen »bezahlbarer Wohnraum« und »Notwendigkeit einer Rentenreform« herrschte ein einstimmiges »Pro« im Plenum. Anders verhielt es sich bei der Vier-Tage-Woche und der Regulierung der künstlichen Intelligenz für Kinder. Nur knapp ließ sich hier eine Mehrheit für diese Themen finden.
Balke zeigte sich nach dem »dialogP« höchst zufrieden. »Die Schüler sind offen auf die Politiker zugegangen, und es herrschte eine angenehme und respektvolle Diskussionskultur«, sagte Balke. Durch den persönlichen Austausch mit Abgeordneten solle das Interesse zur Politik geweckt werden. Balkes große Hoffnung: »Es wäre schön, wenn wir heute die Jugendlichen davon überzeugen konnten, sie langfristig zu Wählern zu machen und dass jede Stimme einen Unterschied machen kann.«
Von Patryk Kubocz

»dialogP«: Das
Projekt erklärt

Die Diskussionsrunde zwischen den Landtagabgeordneten und den Schülern ist ein Projekt des Kumulus-Vereins. Auch veranstaltet der Verein aus Berlin die »Juniorwahl«, bei der Schüler eine Landtags- oder Bundestagswahl simulieren.
»dialogP« startet rund drei bis vier Wochen vor der Veranstaltung in den Klassenzimmern. Im Politikunterricht vermitteln die Lehrer den Schülern die Arbeits- und Funktionsweise des hessischen Landtages. Es bilden sich im Unterricht Expertengruppen, die eine Frage an die Politiker formulieren. Anschließend werden die Fragen im Plenum mit Ja oder Nein beantwortet.
»dialogP« ist ein Unterrichtskonzept zur politischen Bildung und soll die Bedeutung der parlamentarischen Demokratie verdeutlichen. »Gesetze ändern sich nur dann, wenn man für seine Meinung Mehrheiten findet und dafür kompromissbereit ist. Die Schüler üben sich durch »dialogP« im Argumentieren. Es fördert den Dialog zwischen Jugend und Politik und regt zur Auseinandersetzung mit politischen Themen an«, heißt es auf der Website des Projekts. (pku)