Veröffentlicht am

Rechenzentrum statt Möbelhaus

Auf der Fläche rechts sollte das Segmüller-Möbelhaus gebaut werden. Links ist die Nordumgehung kurz vor Massenheim zu sehen. Jetzt soll dort ein Rechenzentrum entstehen. Foto: Eickhoff
Auf der Fläche rechts sollte das Segmüller-Möbelhaus gebaut werden. Links ist die Nordumgehung kurz vor Massenheim zu sehen. Jetzt soll dort ein Rechenzentrum entstehen. Foto: Eickhoff

Bad Vilbel. Paukenschlag in Bad Vilbel: Das Projekt Segmüller ist Geschichte. Anstatt eines Möbelhauses soll auf der Fläche zwischen Kernstadt und Dortelweil nun ein
Rechenzentrum gebaut werden. Bad Vilbels Stadtverordnete stimmten vorige Woche einem »Anpassungsbeschluss zur Haushaltssatzung 2024« zu. Stadt und Segmüller haben sich auf einen Vergleich geeinigt – der mit 16 Millionen Euro zu Buche schlägt.
Es war die letzte Stadtverordnetenversammlung im Kalenderjahr 2023, die am Dienstagabend im Gartensaal der Vilco stattfand – und die hatte es in sich. Während die ersten Tagespunkte nahezu alle einstimmig und ohne große Diskussion schnell beendet waren, folgte ein nicht öffentlicher Teil. Das ist in Städten und Gemeinden üblich, wenn es beispielsweise um Rechtsstreitigkeiten oder Grundstücksangelegenheiten geht.
Minkel: Unabsehbare
Hängepartie

Und genau darum ging es. Vor 13 Jahren hat die Stadt Bad Vilbel mit der Firma Segmüller einen Vertrag geschlossen. Auf dem Gelände zwischen Kernstadt und Dortelweil sollte ein Möbelhaus entstehen. 45 000 Quadratmeter Verkaufsfläche, davon 800 Quadratmeter Kleinsortiment. Ein großer Parkplatz und ein bis zu 28 Meter hohes Gebäude. Das Gebiet wird im Süden von der L 3008 begrenzt, im Westen von der B 3. Segmüller zahlte damals 2,7 Millionen Euro – zehn Prozent der Kaufsumme – an. »Die anderen 25 Millionen hingen auf unabsehbarer Zeit in der Luft«, erläutert der städtische Liegenschaftsdezernent Klaus Minkel auf Nachfrage dieser Zeitung.
Schuld daran waren zahlreiche Klagen unter anderem der Stadt Bad Homburg, die ein Ladensterben und Auswirkungen auf ihre städtebauliche Infrastruktur befürchtete. Die seit mittlerweile zwölf Jahren andauernden juristischen Auseinandersetzungen haben bei den städtischen Verantwortlichen zu einem Umdenken geführt. »Die angedrohten Klagen haben ebenfalls dafür gesorgt«, sagt Minkel. »Das war eine unabsehbare Hängepartie.« Jetzt ist das Großprojekt Segmüller in Bad Vilbel Geschichte. Die Stadt hat sich mit dem Familienbetrieb auf einen Vergleich geeinigt, um wieder die uneingeschränkte Verfügungsgewalt über das Grundstück zu erlangen. Das kostet sie 16 Millionen Euro. »Die Stadt will anderweitig über das Grundstück verfügen«, so Minkel.
Erstattung
und Abfindung

Auf dem Gelände zwischen Kernstadt und Dortelweil soll ein Rechenzentrum entstehen. Der Grundstücksverkauf mit Segmüller wurde nie vollständig ausgeführt. Die 16 Millionen sind – wie Minkel es nennt – »Erstattung und Abfindung« an Segmüller.
Deshalb haben Bad Vilbels Stadtverordnete über einen »Anpassungsbeschluss zur bereits verabschiedeten Haushaltssatzung« abgestimmt. Darin heißt es: »Es werden zusätzliche Auszahlungen für den Erwerb von Grundstücken in Höhe von 16 014 710 Millionen Euro veranschlagt. Demgegenüber werde auch die Einzahlungen aus der Aufnahme von Krediten um diese Summe erhöht.« Minkel erläutert: »Ob wir dieses Darlehen überhaupt aufnehmen, ist fraglich. Wir schaffen uns damit allerdings die Möglichkeit.«
Der Plan sei, dass der neue Käufer des Grundstückes, der auf der besagten Fläche ein Rechenzentrum bauen will, »diese Zahlung ablöst«, so Minkel. »Dann brauchen wir das Darlehen nicht.« Der neue Verkauf soll möglichst im kommenden Jahr abgewickelt werden. Gezahlt werden solle ein Preis der »deutlich über dem aktuellen Bodenrichtwert liegt«, so Minkel weiter. »38 Millionen Euro plus X.« Die Stadt erhoffe sich davon bedeutende Mehreinnahmen. »Es ist ein großes Tor für die Zukunft der Stadt aufgegangen.« Minkel führte in der Vilco aus, dass man sich nichts vorwerfen könne. Der Verkauf an Segmüller, in für die Stadt schweren finanziellen Zeiten, sei richtig gewesen. »Es war der einzige Interessent. Wir mussten verkaufen.«
Kritik kam von den Grünen. Jens Matthias sagte, der Anpassungsbeschluss erhöhe die Verschuldung der Stadt um 16 Millionen Euro. Er skizzierte den langen Weg rund um das Thema Segmüller. »Es scheint, als dass eine lange und unrühmliche Geschichte ein Ende finden soll.« Mit Klagen und Vergleichen Gegenklagen und Streitereien habe man das Projekt um jeden Preis durchboxen wollen. »2020 wurde in diesem Parlament eine Änderung des Bebauungsantrages vorgelegt. Ein grünes Möbelhaus wurde versprochen mit Fassadenbegrünung und professioneller Regenwassernutzung.« CDU, SPD und FDP hätten all diese Schritte immer mitgetragen. »Die ganze Geschichte hat Bad Vilbel nur geschadet. Das Verhältnis zu unseren Nachbarkommunen hat sich verschlechtert. Einzelhändler sind in Befürchtung eines riesigen Möbelhauses abgewandert und es hat enorme Kosten verschlungen. Wir werden die Stadt in einer Anfrage bitten, all diese Kosten aufzuführen.«
Für Minkel war diese Argumentation zu kurz gedacht. »Sie blicken nur in die Vergangenheit und verschweigen, dass es sich um einen wichtigen Baustein für die künftige Energieversorgung dieser Stadt handelt.«
Für die Haushaltsanpassung stimmten CDU, SPD, Grüne, FDP und FW. Dagegen die AfD und der fraktionslose Michael Wolf.
Von Patrik Eickhoff