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Segmüller und viele Sorgen – Händler fürchten sich vor Ansiedlung in Bad Vilbel – verändertes Kaufverhalten der Kunden

Karben. Stehen die Glasvasen auch schön? Roland Wolf schiebt zwei ein wenig zurück, vertauscht eine gelbe mit einer blauen. So passt’s. Erst ein paar Minuten hat der Laden mit Geschenkartikeln und Wohnaccessoires, den er und seine Frau Angelika Guidry im Selzerbrunnencenter betreiben, geöffnet. Schon stehen die ersten Kunden an den Regalen. „Der Standort läuft gut“, sagt Wolf. Vor fünf Jahren öffneten sie zwischen Bäckerei, Blumenladen, Schnellrestaurant und Supermarkt. Einmal geparkt, kann die Kundschaft viele Besorgungen auf einmal erledigen.

160 Quadratmeter Verkaufsfläche hat der „Akzente“-Laden. Segmüller will in seinem Geschäft an der B 3 in Bad Vilbel allein an die 4000 Quadratmeter für die Nebensortimente anbieten – wozu die Accessoires gehören, die auch Guidry und Wolf anbieten.

„Deko ist sowieso ein schwieriger Bereich“, sagt Roland Wolf. Da hangele sich der „Akzente“-Laden „gerade so an der Grenze entlang, dass es sich rechnet“. Schon lange haben die Inhaber deshalb zweite Standbeine: Er betreibt ein Immobilienbüro, sie bietet Importdienstleistungen an. Was künftig Hauptjobs werden könnten, falls Segmüller Realität wird.

Der, schätzt der Einzelhändler, erwirtschaftet 40 Prozent des Umsatzes mit Porzellan, Gardinen, Deko, Kaffeemaschinen. „Fachgeschäfte werden nicht mithalten können“, sagt Wolf. „Mit normalem Wettbewerb haben wir alle kein Problem, aber Segmüller macht alles platt.“

Einen negativen Beschäftigungseffekt hat die geplante Bad Vilbeler Ansiedlung schon heute: Erstmals hat „Akzente“ seine Azubi-Stelle in diesem Jahr nicht wiederbesetzt. „Das ist uns zu heiß“, sagt Wolf.

Gar mit dem Hauptsortiment bedroht Segmüller das Geschäft von Wilhelm Trabandt: Gartenmöbel. Seit 371 Jahren existiert der Laden in der Rathausstraße im Familienbetrieb, gestartet einst als Schmiede. „Es gibt nicht mehr viele Dinosaurier wie uns“, sagt der Chef. „Mit dem Eisenwarengeschäft hatten wir bald den Wahnsinnsruf: ,Bei Trabandt kriegst Du alles‘.“

Um im Wettbewerb bestehen zu können, spezialisiert sich Trabandt immer weiter: Selbst Haushaltswaren und Deko sind heute nur noch kleiner Teil des Angebots. Das Geschäft im Ortskern von Klein-Karben ist Spezialist in Sachen Gartenmöbel und Sonnenschirme. Selbst dort hat sich Trabandt aufs gehobene Segment spezialisiert. Die Kundschaft kommt aus ganz Rhein-Main. Bäcker, Drogerie, Elektrogeschäft, Post im Umfeld sollen die Kundenfrequenz weiter erhöhen.

Doch längst ist das Internet zur Hauptkonkurrenz für Trabandt geworden. „Die Leute schauen sich hier alles an, lassen sich beraten und prüfen dann auf dem iPad im Internet nach, wie sie es billiger bekommen“, seufzt er. Mit der umfassenden Fachberatung und der Möbel-Ausstellung im Siesmayer-Garten versucht er gegenzuhalten. Ob das genügt, wenn auch noch Segmüller kommt? Wilhelm Trabandt befürchtet das Schlimmste. Schon seit das Selzerbrunnencenter in Karben 2007 eröffnete, sinkt die Kundenfrequenz bei ihm. „Die Leute laden sich dort den Kofferraum voll, fahren nach Hause und vergessen uns.“ Das werde auch die anderen Einzelhändler treffen: „Segmüller wird Karben schaden und auch Bad Vilbel“, schätzt er.

Wer bei Segmüller alles besorgt habe, werde nicht noch nach Bad Vilbel in die Innenstadt oder nach Karben fahren. „Die Leute sind nun einmal verwöhnt“, weiß Trabandt.

Was Deko-Händler Roland Wolf der Kundschaft nicht vorwerfen will, im Gegenteil. Der Handel müsse sich darauf einstellen. Er warnt aber: Mit dem Niedergang der Fachgeschäfte gingen Sponsoren verloren, auf die Vereine, Kirchen, Gruppen angewiesen seien. „Kik, Segmüller oder ,Ernsting’s‘ stiften keine Preise“, sagt Wolf. „Das unterschätzt die Stadt total, obwohl sie die Vereine immer mehr auf private Sponsoren verweist.“

Was aber tun, wenn Segmüller kommt? Zum einen müssten weitere Geschäfte rund um das Möbelhaus unbedingt verhindert werden, fordert Roland Wolf. Und die Einzelhändler loben die neue Strategie aus Karbens Rathaus, den örtlichen Handel rund ums Selzerbrunnencenter zu konzentrieren. „Ein guter Plan, sagt Wolf, „bisher lief die Entwicklung etwas ungeordnet.“ Zu sehr sei der Einzelhandel an verschiedene Standorte auseinandergerissen. „Das hätte man in den 80er-Jahren zügig ändern müssen, aber seit 1986 ist für 20 Jahre hier fast nichts passiert.“

Auch Wilhelm Trabandt sieht die Zukunft des Einzelhandels im künftigen Stadtzentrum Karben. Für ihn ist das allerdings eine schwere Entscheidung: Seinen Siesmayer-Garten kann er schlecht mitnehmen. „Eigentlich müssten wir der Kundschaft hinterher“, sagt Trabandt und seufzt. „Das fällt schwer. Wir suchen noch unseren Weg.“ (den)