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Teures Erbe von Rot-Grün – Stadt muss 1,24 Mio. Euro abschreiben, weil sich im Rathaus niemand um Altforderungen kümmerte

Karben. „Die Mühlen mahlen langsam“, ist einer der Lieblingssprüche von Michael Ottens, „aber sie mahlen gründlich.“ Der Politiker der Freien Wähler hat diesen Abend lange herbeigesehnt.

Als Chef des Haupt- und Finanzausschusses ist er im Auftrag des Parlaments quasi der oberste Controller der Stadtregierung. Wie zum Festmahl bereitet liegen an diesem Donnerstagabend in der Ausschusssitzung die Zahlen auf dem Tisch. Sie geben einen schonungslosen Blick darauf, wie unter SPD-Verantwortung im Rathaus gewirtschaftet wurde. 850 000 Euro an Altforderungen aus der Zeit vor 2006 muss die Stadt aus den Büchern streichen, weil sie so lange liegenblieben, dass heute kein Geld mehr von den Schuldnern zu holen ist. Am Ende heben sich alle Hände fürs Niederschlagen der Forderungen. Auch die der Genossen.

Die Forderungen sind bis zu zwölf Jahre alt, berichtet Bürgermeister Rahn, stammen damit zum Großteil noch aus der Amtszeit von Bürgermeister Detlev Engel (SPD). Schulz war damals Kämmerer.

Gewerbesteuer, Abgaben, Steuern – alles futsch. In vielen Fällen haben Geschäfts- und Privatinsolvenzen der Schuldner die Forderungen unwertig gemacht, berichtet Bürgermeister Guido Rahn (CDU) – nachdem die Stadt zuvor ihr Geld nicht rechtzeitig eingefordert hatte. Also wäre doch eh nichts mehr zu holen, versucht SPD-Fraktionschef Thomas Görlich einen hilflosen Rettungsversuch.

„Sie haben wohl keine Ahnung vom Bilanzrecht“, schießt Ottens zurück. Gehe ein Schuldner in Insolvenz, müsse die Forderung sofort raus aus den Büchern. Das aber geschah über fünf Jahre nicht.

Zu Beginn der Sitzung hatte die SPD den Antrag gestellt, wenigstens hinter verschlossenen Türen zu tagen. Das ließ die Koalitionsmehrheit von CDU, FW und FDP nicht zu. „Wir diskutieren das, ohne die Schuldner öffentlich zu nennen“, schlug Ausschusschef Michael Ottens vor.

Besonders sauer ist der FW-Politiker auf Ex-Bürgermeister Roland Schulz. Denn schon einmal, vor zweieinviertel Jahren, hatten sich die Parlamentarier mit genau diesem Thema beschäftigt. Damals strichen sie 390 000 Euro an Forderungen.

Während der damaligen Sitzung fragte Ottens bei Schulz nach, ob das alles sei. Auf Schulz Bitte hin bejahte der Kämmereileiter Werner Klees damals. Schulz widersprach nicht. „Das war eine glatte Lüge“, konstatiert Ottens. Gut ein halbes Dutzend Mal wiederholt er diesen Vorwurf während der Sitzung. Warum Schulz das machte? „Da müssen sie ihn fragen, ich kann das schlecht beantworten“, sagt der heutige Bürgermeister. Seit einem Jahr arbeitet sich der neue Kämmereichef Peter Dahlheimer durch die Bücher. Sehe er diese Zahlen, sagt Rahn, „wäre damals wohl eine sinnvollere Auskunft gewesen, dass ein noch höherer Betrag kritisch ist“.

Kurz darauf versucht es Sozialdemokrat Görlich noch einmal, weil ja knapp 27 000 Euro vielleicht doch noch zu holen seien. „Die Chance ist minimal, aber vor 2006 war es noch viel mehr“, erklärt Rahn zornig. „Deshalb war es später auch nicht richtig zu sagen: ,Wir haben keine Forderungen mehr.‘ Da geht mir die Galle über.“ Die drei SPD-Politiker schauen betreten nach unten. Wie fast die ganze Sitzung über.

Also sei das wohl ein schlechtes Forderungsmanagement der Stadt gewesen, hakt FDP-Stadtverordneter Oliver Feyl nach. Bürgermeister Rahn nimmt die Verwaltung in Schutz. „Da müsste man eher die politisch Verantwortlichen von damals fragen, was dahinter steckte.“

So habe Schulz mal von einem Softwareproblem gesprochen, weshalb es ab 2007 keine automatischen Mahnläufe mehr gegeben habe. „Naja“, überzeugt das Ottens nicht, „die Forderungen konnte man auch ohne Software schon vorher sehen.“ Er hat Mühe, sich seine Zufriedenheit nicht allzu sehr anmerken zu lassen. „Ich hatte irgendwie die richtige Nase.“ (den)