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Und trotzdem Stau

Bad Vilbel. „Die Nordumgehung ist kein Unfallschwerpunkt“, betont der Wetterauer Polizeisprecher Jörg Reinemer. Zwei Schwerverletzte habe es in den Jahren 2010 bis 2012 gegeben. Im vergangenen Jahr wurden auf der vor allem im Berufsverkehr stark frequentierten Strecke elf Unfälle gemeldet, „Auffahrunfälle mit Blechschäden“, so Reinemer.

Allerdings wurde auch nachgebessert. Nachdem es an der Kreuzung unterhalb der B-3-Brücke schwere Unfälle gab, wurde dort vor der Ampel an der Einmündung eine zweite Ampel vorgeschaltet. „Die erste Ampel war schwer einzusehen, eine unglückliche Situation“, räumt Manfred Müller vom Regionalen Verkehrsdienst ein.

Die Nordumgehung werde sehr gut angenommen, „die Verkehre haben sich entflechtet“, lobt Müller. Das gelte vor allem für die Entlastung der Innenstadt. Doch der Praktiker weiß, dass eine neue Straße nicht ausreicht, um freie Fahrt für alle zu ermöglichen. Im Gespräch mit ihm wird deutlich, dass es auch eine von den Politikern geweckte Erwartungshaltung war, die jetzt zu den Stauzeiten des Berufsverkehrs Enttäuschungen hinterlässt. Es gibt rund um die neue Trasse nämlich noch zahllose Probleme.

„Die Situation Richtung Gronau ist so nicht gelöst“, sagt Müller, zudem sei am Kreuzungsbereich Büdinger Straße/Friedberger Straße „die Optimierung der Ampeln ausgereizt“. Das Problem ist simpel: Hinter der Umgehungsstraße verengt sich die Fahrbahn von zwei Spuren auf eine.

Auch die sich anschließende B 521 Richtung Frankfurt habe eine „Streckenführung, die für solche Verkehre nicht gebaut wurde“. Insgesamt, so der Verkehrsexperte, „haben wir einfach zu viel Verkehr auf den Straßen“. Auch der Knoten 0 bei Karben, die Kreuzung L 3005 aus Richtung Ober-Erlenbach und der B3 sei überlastet.

Karben-Tsunami

Und wenn der Ausbau der Nordumgehung aus Richtung Karben kommt: „Das ist der Tsunami-Effekt“, warnt Müller, „der bringt Verkehrseffekte beschleunigt auf die B3.“ Die Wetterau werde immer mehr zum Durchgangsgebiet auch für Fahrer aus Vogelsberg und Taunus.

Als Lösung empfiehlt Müller, die Verkehrswege hindernisfreier zu gestalten, „Kreuzungen und Einmündungen wegnehmen“. Und Verkehre um die Städte herumführen. Wegen der „gewaltigen Räumzeiten“ sorgten Fußgänger auch für Verzögerungen.

Müller rät, sofern möglich, Fußgängerbrücken über stark frequentierte Straßen zu bauen. Eine Wetterauer Kommune, die Müller nicht nennen will, habe eine vorgeschlagene Brücke mit dem Argument abgelehnt, sie könne dort nicht kehren. Auf der Nordumgehung kämen „zwei höchst belastete Fahrverbindungen zusammen“: Der Verkehr aus dem Norden und Osten, das könne nur zu Staus führen. An der Kreuzung Büdinger Straße komme noch das Geflecht der Wegebeziehungen hinzu: Autos, Radfahrer, Fußgänger – mit entsprechenden „Räumzeiten“, der Verweildauer während der Querung. Die Durchgangsstraße von der Nordumgehung her „müsste quasi hochgelegt werden“ und einen Anschluss der Zufahrten mittels „Ohren“ erhalten, meint der Verkehrspolizist mit ironischem Unterton: „Aber das sind Visionen.“

In der Praxis läuft seine Arbeit mitunter weniger erfreulich ab, berichtet Müller. „Da haben einzelne Kommunen nicht über den Tellerrand hinausgeschaut.“ Parlamentarische Zwistigkeiten, Dinge, die „politisch torpediert werden“, ärgern ihn. Da fällt ihm das Sprichwort ein: „Alle ziehen an einem Strang – aber der eine nach links, der andere nach rechts. Und schon gibt es Stillstand.“ Vor allem: „Die ganze E-Mailerei bringt gar nichts“, sagt der Oberkommissar. „Es muss miteinander geredet werden“. Auch bei Straßenprojekten.

So habe Wöllstadts langjähriger Bürgermeister Alfons Götz „seine gesamte Energie auf die Realisierung der dortigen Ortsumgehung gerichtet. Anders in Karben, „da wäre die Nordumgehung bei ähnlichem Elan schon lange Geschichte“. Doch man verzettele sich, kritisiert Müller.

Eine Trasse entlang der S-Bahn, wie manche fordern, sei unsinnig, „das sind völlig unterschiedliche Verkehrssysteme“. Die Bahn habe ihre Schienen, die K 246 und die L 3008 seien an die Kommunen angebunden. Der Verkehrsexperte hat auch eine Erklärung für paradoxe Situationen wie jener, dass der Stau morgens auf der Büdinger Straße entstehe, abends aber nicht nur in Gegenrichtung, sondern in der Friedberger Straße. „Die Menschen versuchen, ihre Zeit effizient zu nutzen, fahren abends zum Einkaufen durch die Stadt.“

Dennoch ist Müller voll des Lobes für die Architekten der Nordumgehung. Die Planer um Professor Rüdiger Storost, Verkehrsdezernent Jörg Frank (CDU) und Timo Jehner, Chef der Verkehrsbehörde, hätten „alles bis ins Detail berücksichtigt“, auch die zu erwartenden überregionalen Verkehre, etwa im Quellenpark.

Auch an den P&R-Parkplatz am Nordbahnhof habe man gedacht, er sei über die Marie-Curie-Straße aus erreichbar. Müller lobt außerdem auch die aktuelle Planung dreier Kreisel auf der Homburger Straße wegen des Kombibads.