Veröffentlicht am

Verkehrsplaner verärgert

Viel Fußgänger nutzen den schachbrettartigen Überweg am Bahnhof Groß-Karben. Was die Stadt hier aufgetragen hat, soll sie laut Wetteraukreis wieder entfernen, da es laut Straßenverkehrsordnung nicht zulässig sei. Foto: Holger Pegelow
Viel Fußgänger nutzen den schachbrettartigen Überweg am Bahnhof Groß-Karben. Was die Stadt hier aufgetragen hat, soll sie laut Wetteraukreis wieder entfernen, da es laut Straßenverkehrsordnung nicht zulässig sei. Foto: Holger Pegelow

Karben. Immer wenn viele Leute aus den Verkehrsressorts verschiedener Behörden zusammenkommen, heißt das: Es ist Verkehrsschau. Zur letzten Schau hatte die Stadt jemanden entsandt, der weder bei der Stadtpolizei noch beim Fachdienst Sicherheit und Ordnung arbeitet. Nämlich den städtischen Juristen.
Juristischer Beistand schien der Stadt erforderlich, denn seit geraumer Zeit liegen Stadt und Kreis im Streit um Maßnahmen, bei denen es diametral gegensätzliche Auffassungen gibt. Konkret geht es um das Schachbrettmuster, das die Stadt in Höhe der Bahnsteige am Groß-Karbener Bahnhof aufgebracht hat. Es soll die Autofahrerinnern und Autofahrer dazu anleiten, langsam zu fahren, um die vielen Fußgänger dort nicht zu gefährden, die zur Bahn wollen oder gerade mit der Bahn angekommen sind.
Die Stadt hatte das Schachbrett aufgetragen, nachdem die Behörden angeordnet hatten, sie müsse den Zebrastreifen vor dem ehemaligen Bahnhofsgebäude entfernen. »Wir haben das Schachbrettmuster zur Sicherheit der Fußgänger aufgebracht«, sagt Fachdienstleiter Manuel Peña Bermudez. Bürgermeister Guido Rahn (CDU) hatte den Stadtverordneten mitgeteilt, dass die Stadtpolizei eine Zählung durchgeführt habe. »Innerhalb von zwei Stunden sind dort 209 Kinder über das Schachbrettmuster gegangen.«
In Bad Homburg
seit Jahren bewährt

Der Wetteraukreis jedoch möchte, dass die Markierung wieder entfernt wird. Begründung: Das Schild sei nicht in der Straßenverkehrsordnung gelistet. Was es nicht gibt, kann auch nicht aufgetragen werden, berufen sich die Behörden auf die Vorschriften.
»In Bad Homburg auf der Louisenstraße hat sich das Schachbrettmuster seit Jahrzehnten bewährt«, entgegnet Fachdienstleiter Peña Bermudez. »Wir sind nicht die Ersten, die so etwas auftragen.« Die Stadt sei ohnehin der Auffassung, dass sie das in einer 30er-Zone auf einer städtischen Straße selbstständig entscheiden könne. Der Fachdienstleiter sagt, »wir sind verpflichtet, nach Recht und Gesetz zu handeln, aber wir wollen immer auch praxisnah entscheiden.«
Bei der großen Verkehrsschau kam ein weiterer Streitpunkt auf die Tagesordnung: Das Ortseingangsschild in Höhe des City-Centers beziehungsweise des Einkaufszentrums. »Die Behörden wollen, dass wir das Schild an die Aral-Tankstelle versetzen.« Begründung: Ein Ortsschild gehöre dort hin, wo sich das erste erschlossene Grundstück befindet.« »Auch hier gibt es zwei unterschiedliche Rechtsauffassungen«, sagt Peña Bermudez. Denn es gebe einen Erlass des hessischen Innenministeriums, dass das Ortsschild auch da stehen könne, »wo die ortstypische Bebauung beginnt«. Das wäre nach Meinung der Stadt vor der Kreuzung zum Bahnhof. »Dort haben wir auf der einen Seite das Hotel, auf der anderen Seite das Gebäude auf dem ehemaligen Dreiecksgrundstück.«
Würde man, wie von der Aufsichtsbehörde Wetteraukreis verlangt, vorgehen, müsste man etliche zusätzliche Schilder aufstellen. Der Fachdienstleiter zählt auf: »Wenn Sie durch den City-Kreisel kommen und vorher kein Ortsschild steht, müsste man an allen vier Ausfahrten Ortseingangsschilder aufstellen.« Und Bürgermeister Rahn machte in der Parlamentssitzung noch eine weitere Folgewirkung der Anordnung deutlich: »Wenn wir das Ortsschild bis zur Aral-Tankstelle verlegen müssten, dürften die Autofahrer mit 80 km/h in die Stadt fahren.« Peña Bermudez macht allerdings deutlich, in diesem Falle würde er Tempo 50-Schilder aufstellen lassen.
Im Ergebnis sind sich alle einig: Die Umsetzung der Anweisung des Kreises würde eine Fülle von weiteren Verkehrsschildern nach sich ziehen. »Wir wollen den Schilderwald aber nicht noch mehr vergrößern«, so Rahn In der Stadtverordnetensitzung. Dort kündigte Rahn an, man werde »mit allen Mitteln dagegen vorgehen«. Laut Fachdienstleiter erarbeitet der städtische Jurist gerade eine diesbezügliche Anfrage an das hessische Innenministerium.
Und noch in einem dritten Punkt brachte die letzte Verkehrsschau in Karben der Stadt eine Niederlage: Die von allen Fraktionen im Stadtparlament gewünschte Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 km/h zwischen Klein-Karben und Rendel wird es nicht geben. Die Strecke sei kein Unfallschwerpunkt, zitiert Peña Bermudez, und außerdem gebe es dafür keine Rechtsgrundlage. Der Wetteraukreis hat dazu wie folgt Stellung bezogen. Das von der Stadtpolizei gewählte »Schachbrettmuster« sei in der Straßenverkehrsordnung nicht vorgesehen und somit »nicht rechtskonform«. Laut Regierungspräsidium und Regionalem Verkehrsdienst der Polizei vermittele es zudem den falschen Eindruck eines sicheren Fußgängerüberwegs – »und beeinträchtigt somit die Verkehrssicherheit, da es hier zu gefährlichen Missverständnissen kommen kann«, heißt es seitens des Wetteraukreises. Allerdings sei bei der Verkehrsschau auch festgehalten worden, dass vor Ort eine Zählung der querenden Personen stattfinden solle, um anschließend eine gemeinsame Lösung zu finden.
Der Verkehrsdienst der Polizei, die Landesverkehrsbehörde HessenMobil, das Regierungspräsidium und der Wetteraukreis sind sich laut Kreispressestelle bei der Verkehrsschau einig gewesen, dass die Rechtsprechung klar sei: »Der aktuelle Standort des Ortsschilds ist laut Erlass des Bundesverkehrsministeriums nicht rechtens und muss versetzt werden.« Die Lesart des Kreises: »Die Stadt Karben vertritt hier eine andere Auffassung. Um zu einer rechtlichen Klärung zu kommen, hat die Stadt Karben zugesagt, das zuständige Ministerium zu kontaktieren und um Klarstellung zu bitten.«
Der Kreis erinnert in seiner Stellungnahme daran, dass unter dem Stichwort »Ordnungsgemäßer Standort« zu verstehen ist: Für den ortseinwärts Fahrenden erkennbarer Beginn der geschlossenen Bebauung auf einer Seite, ungeachtet einzelner unbebauter Grundstücke. Geschlossene Bebauung liege vor, sobald anliegende Grundstücke zur Straße erschlossen seien. Nach Passieren der Ortstafel gelte insbesondere eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h, das Parken am Fahrbahnrand wäre zulässig.
Von Holger Pegelow