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Wahnwitz hat Methode – Sein und Schein – Premiere von „Arsen & Spitzenhäubchen“ bei den Burgfestspielen

Das Stück gilt als eine der erfolgreichsten Kriminalkomödien aller Zeiten. Es bietet Unterhaltungsspaß mit treffsicheren Gags. In der Burg genossen die Festspielbesucher die Premiere der Komödie von Joseph Kesselring, die vor 15 Jahren schon einmal in der Brunnenstadt gegeben wurde. Adelheid Müther führte Regie.

Bad Vilbel. Die rabenschwarze Kriminalgroteske sei ein Stück von ungeheurer Qualität und ein Dauerbrenner auf deutschen Bühnen, so Festspiel-Intendant Claus-Günther Kunzmann. Das Geheimnis des Erfolgs liege in den urkomischen Situationen, den verrückten Wendungen, die Schlag auf Schlag folgen, der Übertreibung und in der trügerischen Kritik an den amerikanischen Verhältnissen, nicht nur der damaligen Zeit.

Liebe und Verbrechen, Glaube und Charity werden einfallsreich und mit makabrem Touch vermischt. Der Theaterkritiker Mortimer Brewster (Tilmar Kuhn) macht kurz vor seiner Heirat mit Elaine (Eva-Maria Kapser) eine grausige Entdeckung. Seine liebenswerten alten Tanten Martha (Christiane Bruhn) und Abby (Brigitte Janner) sind in Wahrheit Mörderinnen. Aus purer Nächstenliebe vergiften sie im spätviktorianischen Wohnzimmer zwölf ältere Herren mit selbst gemachtem Holunderwein (auf vier Liter einen Teelöffel Arsen, einen halben Teelöffel Strychnin und eine Prise Zyankali) und vergraben sie im Keller ihrer Villa. Unterstützt werden sie dabei von Mortimers geistig verwirrtem Vetter Teddy (Andreas Krämer). Der bildet sich ein, Präsident Theodor Roosevelt zu sein und im Keller Arbeiten am „Panamakanal“ zu verrichten. Die Tanten machen ihm glaubhaft, dass die Männer an Gelbfieber gestorben seien.

Während Mortimer verzweifelt versucht, die Tanten von ihrem nächsten Mord abzuhalten, erscheint sein wahnsinniger Halbbruder Jonathan (Björn Geske) in Begleitung von Dr. Einstein (Jens Wachholz). Auch Jonathan hat auf seiner Tour um den Globus zwölf Leichen auf dem Gewissen. Die letzte versucht er in der Villa der Tanten zu entsorgen und stellt Mortimer nach. Der muss erkennen, dass in seiner Familie schon immer der Wahnsinn herrschte, aber nun nahezu galoppiert. Den Zuschauern wurde schnell bewusst, dass in der heilen Welt der betuchten Damen, die im rosaroten Kosmos leben, eben kein Platz für Männer ist. Und wenn, dann nur als Leichen im Keller. Dabei reden alle irgendwie immer aneinander vorbei. Doch trotz aller Skurrilität und dem makabren Touch, wurden Spaß und Witz in den Vordergrund der einfallsreichen Inszenierung gestellt. Mortimer schwebte immer ein bisschen zwischen Himmel und Hölle. „Präsident Teddy“ bestach mit rührender Würde. Fiesling Jonathan erinnerte an das Filmmonster aus Frankensteins Laboratorium. Die beiden Tanten wirkten selig entrückt.

Satirisch-historische Seitenhiebe auf die amerikanische Geschichte bot das Stück im Hinblick auf die Gelbfieberopfer und den Bau des Panamakanals. Denn tatsächlich erwarb der damalige amerikanische Präsident Theodore Roosevelt von Panama die Baurechte für den Kanal. Rund 22 000 Menschen, knapp ein Viertel der am Kanal beschäftigten Arbeiter starben damals an Malaria und Gelbfieber. Der Bau von 1880 bis 1914 forderte etwa 28000 Menschenleben. „Arsen & Spitzenhäubchen“ wurde zu einem Meisterwerk des Theaters und der Panamakanal zu einem technischen Meisterwerk. Doch als am 15. August 1914, bei der feierlichen Eröffnung des bis dahin größten und teuersten Bauwerks aller Zeiten, das erste Schiff den Kanal durchquerte, berichtete die Presse nur spärlich. In Europa hatte der erste Weltkrieg begonnen.

Mit mangelnder Aufmerksamkeit verfolgte die Polizei auch die Spur der zwölf Leichen im Keller der Tanten, deren Existenz in einem Haus mit einem vermeintlich Schwachsinnigen als Unwahrheit abgetan wurde. Die Frage nach Sein und Schein stellte sich erneut. Die Lebenslüge der Tanten wurde fortgeführt, das 13. und letzte Opfer fast beiläufig vergiftet.