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»Wir haben schon schöne Fleckchen«

Bürgermeister Guido Rahn freut sich, dass die Niddarenaturierung gut von den Bürgern aufgenommen wird. Nun soll die Renaturierung Richtung Okarben weitergehen. Foto: Privat
Bürgermeister Guido Rahn freut sich, dass die Niddarenaturierung gut von den Bürgern aufgenommen wird. Nun soll die Renaturierung Richtung Okarben weitergehen. Foto: Privat

Die Stadt Karben ist am 1. Juli 1970 gegründet worden. In diesem Jahr wird – mit zwei Jahren coronabedingter Verspätung – Geburtstag gefeiert. Über die Entwicklung der Stadt Karben sprach unsere Reporterin Christine Wieberneit mit Bürgermeister Guido Rahn.

Herr Rahn, bei der Stadtgründung waren Sie gerade einmal acht, neun Jahre alt. Burg-Gräfenrode ist ja erst ein Jahr später dazu gestoßen. Haben Sie noch Erinnerungen an diese Zeit – Stimmungen, Aufgeregtheiten, Ereignisse?
Rahn: Das Einzige, was damals ein Aufreger war – Burg-Gräfenrode hatte eine eigene Mehrzweckhalle gebaut, bei dieser war damals bei einem Sturm das Dach weggeflogen. Die Kosten für die Reparatur hat dann aber die Stadt Karben getragen.

Wie war das mit dem Grundschulbesuch – noch in Burg-Gräfenrode?
Rahn: Ja, drei Jahre Grundschulbesuch in Burg-Gräfenrode. Dann wurde sie leider geschlossen. Ich ging danach ein Jahr in die Pestalozzigrundschule, dann zwei Jahre zur Kurt und dann aufs Augustiner-Gymnasium. Es gab ja noch keine Abiturmöglichkeit in Karben. Heute ist das ja zum Glück kein Thema mehr.

Wie war das mit der Busanbindung von Burg-Gräfenrode zur Schule?
Rahn: Die war nicht so gut wie heute. Weder zur Grundschule noch zur Augustinerschule. Nach Friedberg fuhr beispielsweise nur ein Bus morgens kurz vor 7 Uhr und ein Bus um 14 Uhr zurück. Das war’s.

Sie sind ja mit 21 Jahren in die Stadtpolitik gegangen. Das war 1985. Wo tagte die Stadtverordnetenversammlung? Das Bürgerzentrum ist ja erst 1987 eingeweiht worden.
Rahn: Das stimmt. Das war damals ein ganz schöner Wanderzirkus. Es wurde in den Bürgerhäusern getagt und ging immer von einem zum anderen. Heute finden fast alle Sitzungen im Bürgerzentrum statt.

Wo war die Stadtverwaltung untergebracht?
Rahn: Die war damals in Klein-Karben im Alten Rathaus untergebracht.

Gibt es bestimmte Wellen, Schübe der Entwicklung? Was ist zuerst angegangen worden?
Rahn: Die ersten großen Sprünge gab es natürlich in den ersten Jahren der Stadtgründung in der Ära von Bürgermeister Schönfeld. Wichtig zu nennen ist hier die Innenstadt-Entwicklung mit Schwimmbad, Gewerbegebiet und Bürgerzentrum. Paul Schönfeld hat immerhin auch drei Perioden regiert und die Gründungsperiode folglich geprägt.

Welche Aspekte der Stadtentwicklung waren aus Ihrer Sicht negativ? Was konnte korrigiert werden?
Rahn: Negativ war definitiv die Nidda-Begradigung. Das ist allerdings schon vor der Stadtgründung umgesetzt worden. Aber dieses Beispiel zeigt gut, wie sich innerhalb von 50 Jahren die Einstellungen und Sichtweisen ändern können. Heute wird die Begradigung zum Glück wieder zurückgebaut.
Was ebenfalls negativ war und zum Glück abgewendet werden konnte, waren die Planungen für Karben als Siedlungsschwerpunkt mit bis zu 50.000 Einwohnern und einer vierspurigen autobahnähnlichen Bundesstraße. Manch einem sind es ja heute schon zu viele Einwohner, aber diese Pläne sahen das Doppelte auf dieser Fläche vor. Aus heutiger Sicht unvorstellbar.

Was sind die Erfolgsgeschichten von Karben?
Rahn: Das Schönste bei allem Wachstum ist, dass Karben den Charakter der einzelnen Dörfer erhalten konnte. Das ist etwas, worauf wir auch in der Zukunft Wert legen. Sonst geht irgendwann das Lebensgefühl einer Stadt im Grünen verloren. Dennoch konnte sich die Stadt deutlich entwickelt, besonders in Punkto Infrastruktur, mit Schwimmbad, Kino, Geschäften, Bürgerhäusern, Sportstätten, einem Kulturleben, aktive Vereinen. Da gibt es sehr viele Erfolgsgeschichten zu erzählen.

Wenn wir schon bei dem Positiven sind – Warum ist Karben ein Besuch wert?
Rahn: Nun, wir sind zwar keine Touristenstadt, aber wir haben schon schöne Fleckchen zu bieten. Den Rosenhang, den neugestalteten Ludwigsbrunnen, den Rapp’s Garten, die renaturierte Nidda. Wir machen viel für die Bürger in Karben und für mehr Lebensqualität. Und wir profitieren von der guten Lage mitten im Drei-Bäder-Eck von Bad Vilbel, Bad Homburg und Bad Nauheim. Man kann hier einfach sehr gut leben. Und das ist entscheidend.

Spüren Sie so etwas wie ein Karbener Lebensgefühl?
Rahn: Ja, so allmählich entwickelt sich das. Das Ortsteildenken bei den Bürgern nimmt mittlerweile ab. Karben wächst zusammen. Die Stadtteile ebenso wie die Vereine. Das wird sich in den nächsten Jahren mit dem zentralen Brunnenquartier noch stärker entwickeln. Von dem Klein-Klein müssen wir weg. Das bringt uns auch nicht weiter.

Aber wenn sich die Vereine beispielsweise stadtweit zusammenschließen, wie weit kommt der ÖPNV nach, damit etwa die Jugendlichen zwischen den Stadtteilen hin- und her kommen?
Rahn: Tagsüber sind die Busverbindungen schon relativ gut. Aber in den Abendstunden und am Wochenende ist noch Handlungsbedarf – daran arbeiten wir aktuell in Kooperation mit einer Hochschule.

Sie sind seit 2010 Bürgermeister. Welche Entwicklungen haben Sie beeinflusst und umgesetzt, zusammen mit der CDU?
Rahn: Da sind vor allem vier größere Projekte zu nennen. Zunächst, dass wir die Finanzen saniert haben. Wer weiß heute noch, dass die Stadt total überschuldet war. Es gab damals überhaupt keinen Handlungsspielraum. Warum gab es sonst seit Jahren ein Stadion ohne Funktionsräume und Duschen? Weil kein Geld da war. Diese Situation zu ändern hatte für mich damals Priorität. Was außerdem wirklich wichtig war, war die Nordumgehung endlich umzusetzen, ohne diese Umgehung würden sich heute noch tausende von Fahrzeugen zusätzlich durch den alten Ortskern quälen. Aber auch die Nidda-Renaturierung war ein großes Projekt. Ich bin sehr froh, dass die Renaturierung so gut angenommen wird und wir die Nidda nun Richtung Okarben weiter renaturieren können. Eine weitere große Daueraufgabe bleibt natürlich die Kinderbetreuung. Wir haben bisher drei komplett neue Kindergärten gebaut, andere saniert und erweitert. Aber es bleibt noch einiges zu tun.

Wie weit soll Karben noch wachsen?
Rahn: Es ist abzusehen, dass wir jetzt an die Wachstumsgrenzen kommen. Wir wollen jetzt noch die Innenstadt mit dem Brunnenquartier vollenden. In Petterweil gibt es dann noch ein neues Wohngebiet, ansonsten wird es noch kleinere Arrondierungen geben. Dann müssen wir den Fokus auf die Ortskerne legen. In Klein-Karben in der Rathausstraße hat die Stadt beispielsweise schon drei Häuser gekauft und möchte dort eine Seniorentageseinrichtung unterbringen.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten für Karben? Welchen?
Rahn: Dass Karben endlich Mittelzentrum wird. Für die Karbener Bürger/innen geht es hierbei um gut 2 Millionen zusätzliche Gelder, die wir dann zur Verfügung hätten. Da kämpfen wir schon lange drum, bis jetzt aber leider gegen Windmühlen. Aber wir geben nicht so leicht auf.