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Wo ist der Bär? – Der „Bad Vibeler Anzeiger“ auf der Suche nach historischem Dokument zur deutschen Geschichte

Bad Vilbel/Berlin. „Alle freien Menschen, wo immer sie leben mögen, sind Bürger dieser Stadt West-Berlin, und deshalb bin ich als freier Mann stolz darauf, sagen zu können: Ich bin ein Berliner!“, die Worte sind längst legendär, gesprochen hat sie kein Geringerer als John F. Kennedy (1917-63), der 35. Präsident der Vereinigten Staaten (1961-63) am 26. Juni 1963 vor dem Rathaus Schöneberg. Mit flammendem Herzen gehört hat diese Worte auch ein Bad Vilbeler, Ernst Theodor Damm (1910 – 1990), seines Zeichens Ehrenstadtrat von Bad Vilbel, der zu diesem Zeitpunkt in Berlin längst verknallt war.

Um seine schier unstillbare Liebe zu der Stadt an der Spree zu beweisen, brachte Ernst Theodor Damm für Berlin so manchen Stein ins Rollen, vermutlich auch in Kenntnis eines anderen Berlin-Schwärmers, eines „Vornamensvetters“, nämlich des großen deutschen Erzählers Theodor Fontane (1819-1898), der doch behauptet hatte: „Vor Gott sind eigentlich alle Menschen Berliner.“

Während Damm für sein geliebtes Berlin fleißig landauf, landab in der neuen Republik die Trommel rührte, mehrere hundert (!) Vorträge hielt und als „Berlin-Botschafter“ durch die Lande reiste, Mitglied im Bund der Berliner und Freunde Berlins (BdBFB) wurde und alsbald dem Vorstand des Kuratoriums Unteilbares Deutschland angehörte, glaubte auch ein wichtiges kommunalpolitisches Gremium, nämlich die Bad Vilbeler Stadtverordnetenversammlung, unverbrüchlich an eine ungeteilte Stadt Berlin. Und so kam es, wie sich Ehrenstadtrat Klaus Minkel lebhaft erinnert, dass anlässlich der Tagung des Kuratoriums im August 1985 im hiesigen Kurhaus das Stadtparlament auf Initiative Ernst Theodor Damms den Beschluss fasste, vor dem Alten Rathaus einen Berliner Bären aufstellen zu lassen, eine jener marmornen Berlin-Tafeln, die Renée Sintenis, eine Berliner Bildhauerin, entworfen hatte und die als Kilometer-Meilensteine mit Angabe der Entfernung nach Berlin an zahlreichen Orten „gepflanzt“ wurden. „Es war 1985 ein bewegender Moment, als das Vilbeler Stadtparlament das Anliegen der deutschen Wiedervereinigung mit diesem Beschluss bekräftigte, zu einer Zeit, als viele nicht mehr an die Vereinigung geglaubt haben“, gibt Ehrenstadtrat Klaus Minkel zu bedenken. Die Aufstellung des Steines vor dem Alten Rathaus fand am 17. August 1985 in einem Festakt unter Beteiligung der Vilbeler Bevölkerung statt, erinnert er sich.

Wohin aber ist dieser Berliner Bär verschwunden? Diese Frage bewegte uns nach einem Telefonat mit Michael Damm, dem Sohn des Ehrenstadtrates Damm. Wir wollten es wissen, also begannen wir unsere Recherche im Rathaus. Kulturexperte Claus Günther Kunzmann wusste, dass man den Bär nach der Renovierung des Alten Rathauses unter dem damaligen Stadtbaurat Dieter Peters nicht wieder aufgestellt hatte, weil damals die Meinung kursierte, dass der Bär am Alten Rathaus in einer vereinigten Republik überflüssig geworden wäre. Also blieb der Bär im Bauhof und fristet dort bis zum heutigen Tage ein unter Staub verborgenes Dasein.

Im Rathaus angeklopft, war man dort ganz schnell in Bewegung. Bürgermeister Dr. Thomas Stöhr kümmerte sich persönlich um die Angelegenheit und Bauamtsleiter Erich Schächer machte sich auf die Suche nach dem wertvollen historischen Stück, dessen Neuaufstellung nach der Renovierung „verpasst“ worden war, wie Minkel sagte. Noch am gleichen Tag war der Bär gefunden, dem Stein … geht es gut! Bei einer Ortsbegehung am Alten Rathaus waren sich Stöhr, Minkel und Schächer schnell einig, der Bär „kommt noch in diesem Jahr wieder dahin, wohin er gehört“, so Minkel.

„Es gibt einen klaren Beschluss des Stadtparlamentes, dass der Stein vor das Alte Rathaus gehört, etwas anderes ist mir nicht bekannt“, betonte Rathauschef Dr. Stöhr. „Es ist jetzt eine gute Gelegenheit, den Stein wieder aufzustellen anlässlich der 20-Jahrfeier seit der Wiedervereinigung und des 100. Geburtstages von Ernst Theodor Damm“, erklärt er und fügt hinzu: „Dieser Stein ist ein zeitgeschichtliches Dokument, das an die Teilung Berlins und an unsere deutsche Geschichte erinnert und an das Festhalten der Stadt Bad Vilbel an Berlin. Wir stellen diesen Stein wieder an seinen Platz. Sie können sicher sein, ich binde Ihnen da keinen Bären auf“. Und das ist gut so, denn der Berliner Bär von Bad Vilbel ist nicht irgendein Exemplar, sondern das 100. seiner Art, „vermutlich auch der zuletzt aufgestellte“, meint Ehrenstadtrat Minkel. Damit wären dann neben Burghard Fiebigs 2,7 Tonnen schwerem Segment der Berliner Mauer, das vor seinem Haus im Vilbeler Ulmenweg 6a steht, die Berliner Verhältnisse hier wieder hergestellt. Das Schild „Berliner Straße“ mit dem Bärensignet auf dem Schöllberg vollendet das aus der deutschen Geschichte geborene Berliner Dreieck in der Quellenstadt. Auch dahinter steckt Damm.