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Der Stachel gegen das bequeme Versöhnen – Leserbrief

Unter der Überschrift „Kann ein Jude in Bad Vilbel Ehrenbürger werden?“ erreichte uns ein sehr ausführlicher Leserbrief des ehemaligen Bad Vilbeler SPD-Vorsitzenden und Ex-Stadtrates Prof. Dr. Karl-Joachim Schmelz, den wir nachfolgend gekürztveröffentlichen:

I

Rafael Zur, der altersbedingt nach über 30 Jahren kommunalpolitischem Engagement in den letzten Monaten aus seinen politischen Funktionen und Ämtern ausgeschieden ist, hatte um diese Ehrung nicht gebeten.

Obwohl die in drei Jahrzehnten geleisteten Verdienste von Rafael Zur sicher nicht geringer zu bewerten sind als die Verdienste der beiden anderen zur Ehrung anstehenden Bürger, kamen jedoch anscheinend bei einigen Personen der Mehr-heitsfraktion bestehende Ressentiments gegen den Juden Zur zum Tragen.

Nun entblödet sich der CDU-Fraktionsvorsitzende (Dr. Josef, Anm. d.Red.) Maetz nicht, in diesem Zusammenhang von „Quatsch“ zu reden und dunkel anzudeuten, es gebe gegen eine Ehrung Zurs sprechende Gründe, deren öffentliche Erörterung diesen „beschädigen“ könnten.

Nun – solche Gründe gibt es nicht und deswegen kann Herr Maetz sie auch nicht nennen.

Gerade Herr Maetz gehört seit je zu jenen bereits oben angesprochenen Personen mit ‚Ressentiments‘ gegen den Juden Zur. Es war Herr Maetz, der den ersten Redebeitrag von Rafael Zur als Stadtverordneter vor vielen, vielen Jahren höhnisch mit der Bemerkung ‚kommentierte‘ (sinngemäß), dieser möge doch ‚erst mal richtig Deutsch lernen‘. Wer so beschränkt denkt, wie Herr Maetz dies nicht nur bei dieser Gelegenheit gezeigt hat, sollte in solchen Zusammenhängen doch besser ganz schweigen.

Freilich ging es bei den Leistungen Rafael Zurs nicht um Geld und seine Aktivitäten waren regelmäßig unbequem und stießen zunächst auf erheblichen Widerstand, teils aus beiden großen Parteien. Rafael Zur war der ‚Stachel‘, der gegen das ‚bequeme Versöhnen‘ durch schlichtes Vergessen stand.

So zahlt man ihm seine unangenehmen, die Nach-Nazi-Ruhe störenden Bemühungen schließlich doch noch heim.

Das wäre ja auch ein Ding: Unter all den (teilweise allerdings wieder gestrichenen) erlauchten deutschen Namen ein Jude als Ehrenbürger der Stadt Bad Vilbel!?

Prof. Dr. jur. Karl-Joachim Schmelz

Bad Vilbel