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Entscheidung steht

20-Mio.–Projekt: Wohn- und Geschäftsareal soll Stadtzentrum beleben

Soll Karben zu einem lebendigen Stadtzentrum verhelfen: Im Neubau auf dem Dreiecksgrundstück können Restaurant, Café, Stadtbücherei, Bank, Fitness-Center, ein paar Läden, Arztpraxen, Büros und Wohnungen unterkommen. CDU, FW und FDP haben grünes Licht gegeben für den Entwurf des Friedberger Architekten Michael Frielinghaus. Rechts die Landesstraße, unten das Selzerbrunnencenter mit Burger King. Repro: den
Soll Karben zu einem lebendigen Stadtzentrum verhelfen: Im Neubau auf dem Dreiecksgrundstück können Restaurant, Café, Stadtbücherei, Bank, Fitness-Center, ein paar Läden, Arztpraxen, Büros und Wohnungen unterkommen. CDU, FW und FDP haben grünes Licht gegeben für den Entwurf des Friedberger Architekten Michael Frielinghaus. Rechts die Landesstraße, unten das Selzerbrunnencenter mit Burger King. Repro: den

Die Würfel sind gefallen: Die Stadtverordneten von CDU, FW und FDP verhelfen dem städtisch-futuristischen Neu- bau auf dem Grundstück vor dem Selzerbrunnencenter zur Mehrheit. Kritik gibt’s von SPD und Grünen.

Karben. 2017 könnten die Bagger anrollen. Für an die 20 Millionen Euro soll Karben dann ein Herz für sein Stadtzentrum erhalten. Mit den Stimmen von CDU, Freien Wählern (FW) und Grünen entschieden sich die Stadtverordneten auf ihrer Sitzung für den Entwurf des Friedberger Architekten Michael Frielinghaus. Gebaut werden soll es auf dem Dreiecksgrundstück zwischen Bahnhof-, Brunnen- und Landesstraße, direkt vor dem Selzerbrunnencenter. Zwei Punkte geben dabei den Ausschlag, dass die Idee des Karbener Architekten Volker Fuchs das Nachsehen hat.

Zum einen finden die Koalitionäre die Mischung aus Stadtbücherei, Gastronomie, Läden, Fitness-Center, Arztpraxen, Wohnungen für den Standort als besser geeignet als Fuchs’ Fokus vor allem auf Wohnungen. Zum anderen erhoffen sie sich durch die Mischung eine Belebung des neuen Stadtplatzes.

Damit folgen CDU, FW und FDP sowohl der fachlichen Empfehlung der Experten aus dem Rathaus wie auch dem Bürgervotum: 1400 Bewertungen hatten die Karbener online abgegeben, außerdem bei zwei Versammlungen ihre Meinung gesagt. Auch dabei fand die moderne Architektur von Frielinghaus mehr Freunde als die konservativer wirkenden Fuchs-Häuser.

Das Verfahren sei „nicht optimal gelaufen“, kritisiert Grünen-Fraktionsvize Rainer Knak. So fehltem dem stadtplanerischen Konzept die Grundkriterien. „Es ist nie besprochen worden, was wir brauchen“, findet Grünen-Fraktionschef Mario Schäfer. Es entstünden „Gewerbeflächen, die keiner braucht“ und der Stadtplatz habe keine Chance, lebendig zu werden. Wichtiger sei günstiger Wohnraum. „Es ist das falsche Konzept am falschen Platz“, geißelt Schäfer.

Rainer Knak stört sich außerdem daran, dass das Thema zum ersten Mal nur hinter verschlossenen Türen im Aufsichtsrat der Wohnungsbaugesellschaft besprochen worden sei. „Der Gipfel der Intransparenz“ sei, dass die Stadtverordneten gar nicht wüssten, wie viel die Investoren für die Fläche zahlen wollten. Deshalb wollen die Grünen an diesem Abend gar nicht entscheiden.

Ebenso die SPD: Das sei ein Blindflug, findet Fraktionschef Thomas Görlich. Das Verfahren sei „teiltransparent“ gewesen und Architekt Frielinghaus habe von seinem Wissensvorsprung profitiert. Er hatte 2011 das stadtplanerische Gesamtkonzept der Stadt erarbeitet. „Das verbitte ich mir“, wehrt sich Erster Stadtrat Otmar Stein (CDU) gegen die Andeutung. Auch Architekt Fuchs sei mit diversen Projekten bereits in der Stadt aktiv.

Ins Desaster

Auch hätten den Stadtverordneten die Angebote der Kaufsummen aller anfangs sechs Investoren schriftlich vorgelegen. „Sie lagen alle in etwa in gleicher Höhe“, weshalb dieses Kriterium bei den Bewertungen nicht eingeflossen sei. Stein: „Sie hatten über sieben Monate Zeit, sich zu informieren.“

Man solle nun nicht „die Innenstadt weiter planlos zukleistern“, findet Rainer Knak. Frielinghaus’ Vorschlag sei „doch eher sehr asphaltlastig“. Besser sei der Fuchs-Vorschlag mit mehr Grün, dessen Innenhof „mehr bespielbare Fläche“ biete.

Besonders die Höhe des Baus an der Ecke Brunnen-/Landesstraße stört Thomas Görlich. „21 bis 22 Meter Höhe kann man gut finden, wir aber nicht.“ Diese Hausspitze ist laut Frielinghaus ein architektonisches Gestaltungselement, das die Stadteinfahrt betonen solle. Die Spitze sei nicht nutzbar, betont Stadtrat Stein. Bis auf diese Hausspitze werde das Gebäude maximal 15,5 Meter hoch. Es bleibe also innerhalb der Vorgaben.

Um die Wirkung zu erläutern, legt Stadtrat Stein den Stadtverordneten noch eine 3D-Animation vor, die ein spiegelbildliches Gebäude an der gegenüber liegenden Straßenecke zeigt. Was dort gebaut wird, ist aber offen. In den kommenden Jahren will die Stadt auf dem Areal ein großes Wohngebiet errichten.

„Ich sehe uns sehenden Auges ins Desaster rennen“, fürchtet Grünen-Fraktionschef Schäfer. Falls das Konzept funktioniere, sei es gut. „Wenn nicht, ist es Ihre Verantwortung“, so Schäfer.

„Die Zeit ist reif für die Entscheidung“, sagt CDU-Fraktionschef Mario Beck. Beim Neubauprojekt hätten SPD und Grüne fünf Monate lang mitarbeiten können, erinnert Bürgermeister Guido Rahn (CDU) – und zum Beispiel den Wegfall der „gestalterischen Ecke“ fordern können. Das aber sei nicht geschehen. „Sie haben verschlafen“, schreibt er der Opposition ins Stammbuch. Man wolle nun nicht „schieben und warten“, sondern vorangehen, erklärt Rahn. (den)