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Pferde als Therapeuten – Was Menschen mit geistiger Behinderung im Reitstall in Burg-Gräfenrode alles erleben

Karben. Über der Reithalle liegt eine fast meditative Ruhe. Nur der zarte Tritt der Pferdehufe im Sand ist gelegentlich zu vernehmen. Jürgen Haupt und Christine Touchanti führen je ein Pferd in großen Kreisen durch die Halle, unterstützt von Monika Uhl und Sabine Pollmeier. Gebannt verfolgen fünf junge Erwachsene vom Hallenrand aus das Geschehen. Es ist mucksmäuschenstill. Hier erleben sieben Menschen mit geistiger Behinderung mit sichtbarem Genuss einen Tag auf dem Reiterhof von Monika Uhl in Burg-Gräfenrode. Die frühere Sonderschullehrerin bietet seit 20 Jahren therapeutisches Reiten und Erlebnistage an.

Für die Besuchergruppe aus dem Frankfurter Konrad-von-Preysing-Haus, einem Wohnverbund des Caritasverbandes Frankfurt für erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung, ist dieser Tag ein großartiges Erlebnis. „Es ist ein Ausstieg aus dem Alltag“, sagt Einrichtungsleiter Michael Wolf. „Unsere Klienten leben ja in der Großstadt und genießen hier nicht nur die Natur, sondern auch den Kontakt mit den Pferden und den Menschen“. An den Kosten hat sich die Leberecht-Stiftung mit 300 Euro beteiligt. Seit 50 Jahren setzt sich die Stiftung der Frankfurter Neuen Presse für behinderte Kinder und Erwachsene ein.

Am Vormittag hatte die Gruppe nach einer Führung richtig gute Arbeit geleistet. Die Ställe mussten gesäubert, die Boxen ausgemistet werden. War der Stall gekehrt und der Mist in Schubkarren weggebracht, holte die Gruppe zwei Pferde von der Weide. Die zwölfjährige Ronja, ein so genannter irischer „Tinker“ (zu deutsch Kesselflicker) und das Islandpferd Gigja (zu deutsch Geige) wurden getränkt und dann in Ruhe geputzt.

„Pferde und Kühe sind meine Lieblingstiere“, erzählte Christian Wagner. Das Striegeln und Bürsten habe ihm großen Spaß gemacht. Zur Pferdepflege gehörte auch das Auskratzen der Hufe. Zur Belohnung wurden die Vierbeiner mit leckeren Äpfeln gefüttert. „Mit diesen Aufgaben werden eventuelle Ängste der Besucher überwunden“, erklärte Monika Uhl. Die als Therapiepferd ausgebildeten Tiere gehen sichtbar auf die jungen Leute ein und lassen sich von den vielen Händen nicht irritieren. „Sie nutzen die Schwächen von Menschen nie aus, sondern nehmen sie an“, sagt Uhl. Mit ihrer Geduld und ihrer Ruhe bauen sie das Selbstvertrauen der Besucher auf. „Das überträgt sich auch auf andere Lebenssituationen“, weiß Monika Uhl aus Erfahrung.

Zur Mittagszeit fand sich die Gruppe im Garten um den großen Tisch zum Essen ein. Die beiden Erzieherinnen Lea Thiede und Natascha Brumant hatten Würstchen mit Kartoffelsalat vorbereitet, und nach dem arbeitsreichen Vormittag schmeckte es allen besonders gut. Auch die Pferde hatten eine Pause verdient.

Schließlich aber war die Zeit reif für den Aufstieg auf den Pferderücken. Die Vorfreude auf den Reit-Nachmittag war bei allen groß. Der Körperkontakt mit den Pferden und der sichere Sitz im Sattel machte die Reiter sichtbar stolz. Die geduldigen Pferde und die helfenden Hände von Monika Uhl machten den ersten Ritt für jeden Einzelnen zu einem besonderen Erlebnis.