Veröffentlicht am

Schmuckstück in spe

Assia und Igor Helmich aus Rendel kaufen historisches Bahnhofsgebäude

Der Karbener „Hauptbahnhof“ hat künftig Besitzer aus der Stadt. Fotografin Assia und ihr Mann Igor Helmich aus Rendel haben den Kaufvertrag für das Stationsgebäude Groß-Karben unterschrieben. Sorgen um die künftige Nutzung des Baus muss sich ganz offenkundig niemand machen.

Karben. Alte Dinge mit Charakter haben es der Fotografin Assia Helmich (46) angetan. Sie hat zusammen mit ihrem Mann Igor (47) das Groß-Karbener Bahnhofsgebäude gekauft. Er führt zusammen mit Bruder Nicolai den vom Vater aufgebauten Garten- und Landschaftsbaubetrieb Helmich & Helmich in Oberdorfelden.

Dass der bisherige Besitzer verkaufen wollte, hatte Bürgermeister Guido Rahn (CDU) bekannt gemacht. Im Rathaus hatte man die Sorge, dass im Bahnhof eine Spielhölle eröffnen könnte. Ein Interessent spielte wohl mit dieser Idee. Um solches zu verhindern, hatte das Parlament eine Veränderungssperre erlassen, um die Nutzung festzuschreiben (wir berichteten).

Wie am Anfang

Assia Helmich und ihr Mann möchten den Bahnhof dagegen aufwerten. „Wir wollen wieder ein Schmuckstück daraus machen.“ Der Kaufpreis: kein Kommentar.

Über die Jahrzehnte habe die Immobilie bei Renovierungen, Veränderungen, Anbauten viel gelitten. Möglichst exakt in den Zustand der Zeit des Baus wollen die Helmichs den Bahnhof zurückversetzen.

Es stammt aus der Zeit, als die Main-Weser-Bahn gebaut wurde. Am 11. März 1850 fuhr der erste Zug zwischen Frankfurt und Friedberg. Längst hat Assia Helmich über Rainer Obermüller den Karbener Geschichtsverein um Hilfe gebeten. Alte Fotografien sollen ihr zeigen, wie der Bahnhof einst aussah. Zum Beispiel ist der alte zentrale Treppenaufgang ins Haus dem schmalen Fußwegstreifen entlang der Straße geopfert worden. Störend findet die neue Besitzerin moderne Anbauten wie das Vordach am Seiteneingang oder die Kunststofffenster. Die Mülltonnen direkt am Haus seien ein sehr hässlicher Anblick. „Das verschwindet alles“, sagt Helmich.

Warum ein solcher Aufwand? „Ich bin ein Fan von alten Zeiten“, sagt die Fotografin. Dinge mit Patina faszinieren sie. Ihre Spezialität ist es, mit solchen Utensilien fotografisch bei ihren Portraitaufnahmen zu arbeiten. Ohnehin hat sie sich dem Schwarz-weiß-Bild verschrieben. Mehrfach bereits wurde sie international für ihre Werke ausgezeichnet. Dabei ist Assia Helmich Seiteneinsteigerin: Ausgebildet ist sie als Visagistin, wird bis heute auch in diesem Beruf gebucht. Als sie eine Kamera geschenkt bekam, entdeckte Helmich im Fotografieren eine Leidenschaft. Seit 13 Jahren schon ist das ihr Broterwerb – gern im Komplettpaket mit ihren Visagistinnenkünsten.

Ihrem Beruf als Fotografin soll der Bahnhof dienen: Im Obergeschoss möchte sie ihr Fotostudio einrichten, das bisher im Wohnhaus in Rendel untergebracht ist. „Ich kann Privates und Berufliches dann ein bisschen besser trennen“, sagt Assia Helmich. Das urtümliche Dachgeschoss, der geheimnisvolle Keller: Im Haus wimmele es von Orten, die sich ideal als Portraitbildkulisse eigneten.

„Das Haus lebt“

Das erste Stockwerk habe genau die richtige Größe für ein Fotostudio, so Helmich. Ideal habe sich ergeben, dass der dort ansässige Taxibetrieb Sabo zum Jahresende seinen Mietvertrag gekündigt habe. Unverändert bleibe die Deutsche Bahn natürlich mit dem Stellwerk Mieterin im Gebäude. Ebenso möchte Helmich weiterhin die Sicherheitswache mit Polizei und Stadtpolizei im Haus behalten. „Das werden meine Bodyguards“, sagt sie und lacht.

Warum aber bindet sich jemand überhaupt ein solches, altes Gebäude ans Bein? „Das Haus lebt“, erklärt Assia Helmich. Das passe gut zum Fotostudio und ihrer Art der Fotografie. Ihr „Multikulti-Leben“ habe sie geprägt, dass sie so etwas möge. Geboren in Ostberlin als Tochter eines Algeriers, wuchs sie bis zum Alter von 14 in der Heimat des Vaters auf. Seit 19 Jahren lebt sie in Rendel – unweit des Heimatortes ihres Mannes, Klein-Karben.

Mit so vielen Erfahrungen im Gepäck habe sie festgestellt, dass sie sich in Karben wohl fühle. „Hier möchte ich bleiben“, sagt Assia Helmich. Und die Heimat möchte sie sich möglichst schön gestalten. Der Bahnhof gehört fortan dazu. (den)