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Wo im Wald die Pilze sprießen – Karbener Naturschutzbund lud zur jährlichen, beliebten Wanderung mit Fachmann Wolfgang Schößler ein

Karben. „Was ist ein Pilz?“ Mit dieser profunden Frage leitete Wolfgang Schößler die rund dreistündige Pilzwanderung des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) ein. Eigens aus Gießen hatte Jürgen Becker von der Ortsgruppe Karben den Pilzexperten anreisen lassen. Rund 30 Interessierte fanden sich im Hessenwald oberhalb Altenstadts in Richtung Ilbenstadt ein, um von Schößler zu erfahren: „Ein Pilz ist ein Pilz.“

Denn „ein Pilz ist weder ein Tier noch eine Pflanze“, wusste Rike, die bereits an einem Kurs Schößlers teilgenommen hatte. Dieser erklärte, dass die Reihe der lebenden Organismen inzwischen um die Pilze erweitert worden sei. Und schon im folgenden Satz kam der nächste Schocker: „Sie werden heute keine Pilze zu sehen bekommen“, sagte der Experte mit einem schelmischen Augenzwinkern und erklärte dann, dass Hut und Stängel lediglich die Fruchtkörper des eigentlichen Pilzes seien, der sich etwa im Waldboden verborgen hält.

Nach dieser kurzen Einweisung ging es fachmäßig auch schon zur Sache, denn Schößler hatte in einem Pappkarton allerlei Anschauungsmaterial mitgebracht: Einen „weit gereisten“ Riesenbovisten, den er seit nunmehr fünf Jahren liebevoll in einer Kiste bettet. „Hier nimm mal“, übergab er die braune Kugel an einen jungen Mann. „Aber vorsichtig, der ist schwer“, lachte der Experte und überreichte dem Jungen das fliegengewichtige Gebilde, das reichlich staubte. „Das sind Sporen“, informierte Schößler. „Sie dienen zur Fortpflanzung der Pilze.“ Zur Demonstration brachte er dann eine Tafel zum Vorschein, auf der die Sporen verschiedener Exemplare zu sehen waren: „Pilz mit der Kappe auf die Pappe, Kaffeetasse darauf, über Nacht stehen lassen, schon ist der Abdruck fertig“, erläuterte er das Prinzip. Auf diese Weise könnten beispielsweise die Sporen eines hellen Perlpilzes auf schwarzem Tonpapier abgebildet werden. Zur Anschauung kamen aus dem Karton schließlich noch ein ledergelber Öhrling – zu deutsch Schlauchpilz – dessen wie Ohrmuscheln anmutende Erscheinung ihm den Namen verleiht, ein Ohrlöffelstacheling, der „nur auf Kiefernzapfen wächst“ und ein Birkenpilz, „den es nie ohne eine Birke gibt, wohl aber den Baum ohne Pilz“, erklärte der Kenner und hob hervor: „Mit Pilz geht es der Birke besser. Denn die beiden gehen so zu sagen eine Ehe ein.“

Dass Pilze nicht in erster Linie zum Essen da seien, wollte der Experten seinen Zuhörern vermitteln: „Sie haben im System eine wichtige Aufgabe“, mahnte er und hob die Wichtigkeit der Organismen zerlegenden Waldbewohner hervor. Einen Erdstern sowie einen angebrannten Rauchporling brachte er schließlich noch zum Vorschein, bevor es zum Selbstsuchen zwischen die Bäume ging. Erster Fund: Ein ziegelroter Schwefelkopf, den Schößler unter gespannten Augen verkostete, sprich bedächtig kaute und dann ausspuckte. „Schmeckt nicht unangenehm“, bestätigte ein mutiger Wanderteilnehmer schmunzelnd. „Ich habe schon so viele Pilze gesammelt und bin trotzdem alt geworden“, beschied ihm Schößler. „Wenn’s dumm läuft, gibt’s eine Generalreinigung.“