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Nein zu Komatrinken! – Illhardt fordert Ausbau der Suchtprävention in Karben und Bad Vilbel

Komatrinken unter jungen Leuten ist das größte Suchtproblem in der südlichen Wetterau. Deshalb fordert Suchtberater Lutz Illhardt ein Aufstocken der Präventionsarbeit in Bad Vilbel und Karben.

Werden Sie in Wiesbaden Minister Banzer die Leviten lesen, Herr Illhardt?

LUTZ ILLHARDT: Dafür gibt es doch keinen Anlass.

Die hessische Landesregierung gibt sich mit dem Aufweichen des Rauchverbots doch größte Mühe, Suchtverhalten zu fördern. Ärgert Sie das nicht?

ILLHARDT: Ich finde es schön, dass das Rauchen zum Beispiel in Esslokalen verboten wurde. Aber wenn ich wirklich etwas erreichen will, muss ich die Preise anheben. Wenn jemand zehn Euro fürs Päckchen Zigaretten hinlegen muss, habe ich einen Effekt. Da traut sich die Politik nicht ran.

Wie schwer wiegt denn das Rauchen im Vergleich zu anderen Suchtformen?

ILLHARDT: Nikotin ist ein starkes Suchtmittel. Man kann innerhalb einer Woche süchtig werden. Das ist vergleichbar mit Kokain. Aber Rauchen hat eben nicht diese soziale Ächtung. Das kommt nun ein bisschen, da haben die Verbote schon einen Effekt.

Mit welchen Facetten von Sucht werden Sie konfrontiert?

ILLHARDT: Vor allem Alkohol, Cannabis, Amphetamine und Kokain sowie Online-Spielsucht.

Wie hat sich das verändert in den 17 Jahren, in denen Sie Suchtberatung in Bad Vilbel und Karben machen?

ILLHARDT: Cannabis ist sehr stark geworden. Nach dem Lübecker Urteil, wonach es ein „Recht auf Rausch“ gibt, wurde das als nicht mehr so schlimm angesehen. Die Alkoholabhängigkeit hält sich auf hohem Niveau.

Schlimm ist Cannabis dennoch?

ILLHARDT: Ja, und es gibt heute wesentlich stärkere Sorten mit bis zu 25 Prozent mehr Wirkstoffgehalt. Das ist nicht mehr mit dem zu vergleichen, was jemand in den Siebzigerjahren geraucht hat.

Wie viele Menschen sind denn in der südlichen Wetterau von Suchtproblemen betroffen?

ILLHARDT: Das weiß ich nicht, die kommen ja nicht alle zu mir. Ich erreiche im Schnitt jedes Jahr zwischen 160 und 180 Menschen.

Was für ein Klientel ist das?

ILLHARDT: Das sind Menschen mittleren Alters und aufwärts. Die Jugend erreichen wir schlecht. Wer 15 ist und Cannabis raucht, kommt nur in die Beratung, wenn die Eltern ihn schicken.

Welche Probleme gibt es bei den jungen Leuten?

ILLHARDT: Wir haben immer wieder Probleme an den Treffpunkten in Bad Vilbel und Karben, wo man auch die leeren Flaschen sieht. Ein Problem ist das Komatrinken. Wir haben auf dem Vilbeler Markt wieder eine Alkoholkontrolle durchgeführt. Da wird sehr viel Schnaps zusammen mit Energydrinks getrunken. Die jungen Leute vertragen ziemlich viel, was vor 20 Jahren noch eher ungewöhnlich war.

Was kann man dagegen tun?

ILLHARDT: Man versucht schon, die Abgabe in den Geschäften zu kontrollieren. Wichtig sind verstärkte Kontrollen an Treffpunkten – eine Aufgabe für Ordnungsamt und Polizei.

Wie wichtig ist die Prävention?

ILLHARDT: Wir versuchen, die Schüler rechtzeitig zu erreichen. Um ihnen klarzumachen, dass es nicht so harmlos ist, wie sie denken. Der Alkohol hat einen negativen Einfluss auf die Entwicklung des Gehirns, das sich im jungen Alter ja erst entwickelt. Aber wir sind im Wetteraukreis nur drei Suchtberater für 90 Schulen.

Wie früh muss Prävention beginnen?

ILLHARDT: Schon im Kindergarten. Und es ist wichtig, die Eltern einzubeziehen. Prävention ist auch eine Frage von Erziehung.

Hält die Prävention die Sucht- und Gewaltprobleme im Griff?

ILLHARDT: Das schafft die Prävention nicht – besonders nicht mit nur einer halben Stelle hier. Da wäre eine Aufstockung wirklich angesagt. Prävention kann es nie genug geben. Sie muss langfristig und kontinuierlich sein – und das könnte hier besser aufgestellt sein.

Wir danken für das Gespräch. (den)